FAQ
„Typische Lufthansa-Lösung“
Was hat die Lufthansa mit ihrer neuen Marke „City Airlines“ vor?
Regionalflugzeug der Lufthansa beim Start am Drehkreuz in Frankfurt am Main
© IMAGO / Rene Traut
Im kommenden Jahr soll die neue Lufthansa-Marke „City Airlines“ starten. Viele vermuten dahinter ein Sparmodell für den Zubringerverkehr, doch Luftfahrtexperte Gerald Wissel glaubt nicht, dass geringe Gehälter lange durchzuhalten sind
Schon länger hegt die Lufthansa den Plan einer neuen Fluggesellschaft namens „City Airlines“. Darüber soll vor allem der Zubringerverkehr zu den Drehkreuzen München und, wie jetzt bekannt wurde, auch Frankfurt am Main abgedeckt werden. Es ist (mal wieder) ein neues Produkt im komplexen Gebilde der größten deutschen Airline und aus Sicht vieler Experten und Gewerkschaften nur ein weiterer Weg, um Kosten zu sparen – vor allem beim Personal. Aber ist „City Airlines“ tatsächlich nur ein neues Sparmodell oder hat es auch strategische Relevanz für den MDax-Konzern? Vier Fragen und Antworten.
Wo steht die Lufthansa aktuell mit „City Airlines“?
Die neue Airline wurde im Sommer 2022 in München gegründet. Seit Juni 2023 steht das Grundgerüst und die Betriebserlaubnis wurde ebenfalls erteilt. Das hat die Nachrichtenagentur Reuters aus Mitarbeiterkreisen erfahren. Von dort heißt es: „Wir sind weiterhin ,on track’ und unterwegs in Richtung des operativen Starts von City Airlines.“ Allerdings verzögert sich der eigentlich schon für dieses Jahr geplante Start bis Anfang 2024. Denn aktuell laufen noch Verhandlungen mit den Gewerkschaften Vereinigung Cockpit, UFO und Verdi über Arbeitsbedingungen und Tarifverträge. „Wir arbeiten konstruktiv und vertraulich an einer Tarifierung der Gesellschaft und ausgewogenen Lösungen für alle Beteiligten“, erklärt „City Airlines“-Chef Marco Zenger in der internen Mitteilung. Die Personalsuche ab Ende dieses Jahres wird auf der Internetseite der Airline bereits angekündigt, ausgeschrieben ist bisher noch nichts.
Ein erstes Flugzeug der neuen Flotte, einen Airbus A319, gibt es aber schon. Wie das Fachportal „Aerotelegraph“ berichtet, ist es seit Juli in München stationiert. Insgesamt sind 40 „City Airlines“-Flieger eingeplant, die nach außen den gewohnten Lufthansa-Look haben sollen. Ziele sind vor allem europäische Metropolen. Auf der Internetseite heißt es, dass mit der neuen Airline das Streckennetz in Europa „erweitert“ werden soll.
Will die Lufthansa mit „City Airlines“ wirklich nur Kosten sparen?
In der Branche wurde die Gründung von „City Airlines“ von Anfang an als klares Zeichen an das Personal interpretiert, keine zu hohen Gehälter zu erwarten. Auch die Gewerkschaften halten der Lufthansa vor, mit der Gründung in erster Linie das Ziel schlechterer Konditionen für die Beschäftigten zu verfolgen.
Gerald Wissel, Gründer und Chef der Luftfahrtberatung Airborne Consulting, rechnet allerdings nicht damit, dass die Lufthansa geringe Gehälter lange durchhalten kann. „Natürlich werden sie erstmal versuchen, die Kosten gering zu halten“, sagt Wissel. Aktuell seien Zubringerflüge häufig zu teuer. „Aber es herrscht zum einen Arbeitskräftemangel und zum anderen Konkurrenz innerhalb des Lufthansa-Konzerns. Die Kernmarke braucht beispielsweise dringend Flugbegleiter und bietet bessere Konditionen. Das ist ein Dilemma.“
Derzeit werden die Zubringerdienste zu den beiden Lufthansa-Drehkreuzen München und Frankfurt am Main oft noch von der Kernmarke durchgeführt, wo einige der bestbezahlten Piloten der gesamten Gruppe fliegen. Da man damit aus Sicht der Konzernführung nicht mehr wettbewerbsfähig ist, sollen die Tarife der neuen Linie nun an das niedrige Niveau der bisherigen Regionalmarke „Cityline“ angepasst werden. „Cityline“-Chef Jens Fehlinger erklärte, das Ziel seien „nachhaltige und konkurrenzfähige Strukturen für die Zubringerverkehre in München und Frankfurt“.
Wie sinnvoll ist die Gründung einer neuen Marke für den Konzern?
Lufthansa ist nicht nur Lufthansa, sondern auch Eurowings, Discover, Swiss, Austrian und Brussels – um nur die Passagierairlines zu nennen. Zum Konzern gehören viele unterschiedliche Marken, deren Positionierung im Markt nicht ganz klar ist. Für Wissel ist die Gründung einer weiteren Airline „eine typische Lufthansa-Lösung“. Anstatt das Problem an der Wurzel zu packen und das Gesamtsystem zu betrachten, würde man lieber eine neue Plattform schaffen. „Sie kriegen es nicht hin, Synergieeffekte zu nutzen und Komplexität zu reduzieren“, sagt er. „Sie optimieren nicht, sondern bauen lieber etwas ganz Neues auf – in der Hoffnung, dass es günstiger wird.“
Hohe Personalkosten sind bei der Lufthansa traditionell ein großes Thema. Bei Anlegern sorgen sie für Skepsis, zwischen Konzern und Arbeitnehmern gibt es immer wieder Diskussionen. Erst kürzlich wurde eine Lösung im Tarifkonflikt mit den Piloten gefunden, dieses Mal ohne Streiks, aber mit kräftigen Gehaltsanstiegen von bis zu 50 Prozent.
Welche Rolle spielt die bisherige Zubringerairline „Cityline“?
Die Zukunft des Lufthansa-Regionalpartners „Cityline“ ist ungewiss und ein Grund für die Gründung der neuen Marke. Während der Corona-Krise hat die Lufthansa eine Perspektivvereinbarung mit der Vereinigung Cockpit gekündigt. Darin wurde ein Kompromiss ausgehandelt, in dem die „Cityline“ einige Lufthansa-Strecken mit größeren Flugzeugen abdeckt – eigentlich werden dort nur kleine Maschinen mit bis zu 95 Sitzen eingesetzt. Der Pakt läuft noch bis 2027. Trotz Gesprächsbereitschaft der Lufthansa ist eine Nachfolgeregelung momentan nicht in Sicht. Sollte diese ausbleiben, dürfte „Cityline“ ab 2027 nur kleine Flugzeuge einsetzen, obwohl neue, größere gebraucht werden. „City Airlines“ könnte daher eine Auffanglösung sein. Laut Reuters wolle die Lufthansa mit den Tarifpartnern freiwillige Wechselbedingungen für das Personal von „Cityline“ zu „City Airlines“ aushandeln.