Israel
Warum Experten keinen extremen Ölpreis-Anstieg befürchten
Öl-Förderanlage in Saudi-Arabien
© picture alliance/AP Photo | Hassan Ammar
Der Ölpreis hat bisher moderat auf die Terroranschläge der islamistischen Hamas gegen Israel reagiert. Für Anleger ergeben sich mehrere Möglichkeiten von der Entwicklung am Ölmarkt zu profitieren
Die Terroranschläge der islamistischen Hamas auf Israel haben den Nahostkonflikt neu entfacht. Im Vergleich zum Jom-Kippur-Krieg 1973 reagierte der Ölmarkt bisher jedoch moderat: Der Preis für ein Barrel Brent-Rohöl stieg nach den ersten Angriffen vergangenes Wochenende kurzzeitig um fünf Prozent und gipfelte am Montag bei fast 89 US-Dollar. Auch zum Ende der Woche lag der Preis bei 89 Dollar. Die US-Sorte WTI schwankte ebenfalls und stieg im Preis zuletzt auf 86,07 US-Dollar.
Als Gründe für den erneuten Preisschub sehen Beobachter die Ankündigung der USA, Beschränkungen für russisches Rohöl stärker durchsetzen zu wollen. Noch wichtiger war allerdings eine Bemerkung des iranischen Außenministers Hossein Amir-Abdollahian vom Donnerstagabend. Bei einem Treffen mit schiitischen Hisbollah-Kämpfern in Südlibanon sprach er von einer „realen Möglichkeit“, dass sich im Krieg zwischen Israel und der Hamas weitere Fronten eröffnen könnten.
Ökonomen geben vorsichtig Entwarnung
Der ölreiche Iran spielt eine Schlüsselrolle im Nahostkonflikt. Er ist nicht nur ein wichtiger Finanzier der Terrorgruppen Hamas und Hisbollah, sondern auch ein Anrainer der Meeresenge von Hormus. Durch sie verkehren täglich rund 20 Prozent der weltweiten Öl-Lieferungen zwischen Persischem Golf und Arabischem Meer. Würde der Seeweg gestört, hätte das drastische Folgen.
Experten geben aber vorsichtig Entwarnung. So weist etwa der Öl-Analyst Paul Gooden von Fidelity International darauf hin, dass die USA kurz vor dem Präsidentschaftswahlkampf stehen. Deshalb hätte Israels mächtiger Verbündeter ein Interesse daran, den Ölpreis niedrig zu halten. Washington hat zuletzt die Sanktionen gegen den Iran gelockert. „Sollten die USA die Sanktionen gegen den Iran nun wieder verschärfen, könnte der Ölpreis anziehen“, sagt Gooden. „Es wäre aber ein allmählicher Anstieg.“
Hinzu kommt die Rolle der Golfstaaten, die heute eine völlig andere ist als zum Zeitpunkt der ersten Ölkrise vor 50 Jahren. 1973 stellte sich die OPEC geschlossen gegen Israel und setzte Erdöl als Waffe gegen die USA ein. Dieses Szenario ist für Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), aber eher unwahrscheinlich: Im Gespräch mit dem BR weist er darauf hin, dass sich die Beziehungen vor allem von Saudi-Arabien, aber auch den Vereinigten Arabischen Emiraten zu Israel zuletzt verbessert haben. Für ihn gibt es daher keine Anzeichen, dass die Golfstaaten stärker in den Konflikt geraten wollen.
Dem stimmt Schularicks IfW-Kollege, der Ökonom Klaus-Jürgen Gern, zu: Ein wirtschaftlicher Schaden des Westens sei nicht im heutigen Interesse der Ölproduzenten. Viel mehr würde die OPEC den Ölpreis gegenwärtig auf einem für sie vorteilhaften Niveau steuern. Demnach wird insbesondere Saudi-Arabien die Ausweitung des Konflikts auf das weltweite Angebot versuchen einzudämmen.
Öl-Aktien
Ein Angebotsrisiko bleibt dennoch bestehen, schon alleine aufgrund der zahlreichen geopolitischen Spannungen. Für Anleger gibt es mehrere Möglichkeiten, von steigenden Ölpreisen zu profitieren. Das sind neben Optionen, Futures und ETCs vor allem auch Aktien von Mineralölkonzernen, deren Kurse nicht eins zu eins von der Preisentwicklung am Ölmarkt abhängig sind.
Wie jüngst bekannt wurde, übernimmt der US-Ölkonzern Exxon Mobil den Konkurrenten Pioneer Natural Resources für knapp 60 Mrd. US-Dollar und baut damit seine Schieferöl-Produktion aus. Zudem weitet Exxon durch die Übernahme auch seinen Anteil am wichtigsten Ölfeld des Landes, dem Permian-Becken zwischen Texas und New Mexico, deutlich aus.
Hohe Energiepreise, Kostensenkungen und der Verkauf von zahlreichen Vermögenswerten haben Exxon im Vorjahr einen Rekordgewinn von 56 Mrd. US-Dollar beschert. Exxons Aktienkurs hat seit Jahresbeginn dennoch 2,5 Prozent eingebüßt. Beim aktuellen Kurs kommt der Titel auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 12.
Neben allseits bekannten Namen wie Chevron, Shell, TotalEnergies und BP lohnt vielleicht auch der Blick ins Reich der Mitte: China setzt verstärkt auf die Produktion heimischen Erdöls. Davon profitiert der staatliche Mineralölkonzern PetroChina. Dessen Nettogewinn stieg im ersten Halbjahr um 4,5 Prozent auf die Rekordsumme von umgerechnet 11,7 Mrd. US-Dollar. Außerdem überzeugt PetroChina, dessen H-Aktien auch für ausländische Investoren handelbar sind, durch ein günstiges KGV von 6,5. Der Aktienkurs ist seit Anfang Januar um knapp 60 Prozent gestiegen.