Streit um Mobilfunkverträge
Warum die Schufa Daten von 20 Millionen Handynutzern löscht
Die Schufa ist die größte Wirtschaftsauskunftei des Landes
© IMAGO / Herrmann Agenturfotografie
Die Schufa löscht seit Freitag die Daten von Millionen Handynutzern. Die Verbraucherzentrale begrüßt das – doch einige Anwälte fürchten die Vernichtung von Beweisen. Was steckt hinter der Löschaktion und was sind die Auswirkungen?
Jahrelang haben Verbraucherschützer mit der Schufa gestritten, jetzt geht es auf einmal ganz schnell: Seit Freitag löscht die Schufa im großen Stil Daten über Handyverträge. „Telekommunikationsunternehmen und die Schufa haben entschieden, Informationen zu Vertragskonten aus dem Telekommunikationsbereich zu löschen“, schreibt die Schufa auf ihrer Website. Start der Löschaktion sei der 20. Oktober, laut Tagesschau geht es um die Daten von 20 Millionen Handykunden.
Warum werden massenhaft Schufa-Daten gelöscht?
Hintergrund der aktuellen Datenvernichtung ist ein Streit, der schon seit zwei Jahren schwelt. Im September 2021 entschieden die Behörden, dass es nicht in Ordnung sei, wenn Telekommunikationsprovider grundsätzlich jeden abgeschlossenen Handyvertrag bei der Schufa melden. Das hat im Frühjahr 2023 auch das Landgericht München I in einem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil gegen den O2-Anbieter Telefónica bestätigt (Az. 33 O 5976/22).
Sogenannte Positivdaten, also „Informationen über die Beantragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrages“ dürfen laut Urteil nicht übermittelt werden, sondern nur nicht-vertragsgemäßes Verhalten wie Zahlungsausfall. Seit Anfang 2022 werden die Standard-Vertragsdaten laut Schufa nicht mehr weitergegeben, die bereits erhobenen Daten wurden aber bislang nicht gelöscht.
Welche Daten werden jetzt gelöscht?
Die Schufa löscht jetzt die Vertragsdaten von Millionen von Handynutzern, die der Weitergabe nie zugestimmt haben. Dabei geht es laut Schufa um sogenannte Positivdaten, die „zum Schutz vor Betrug und Datenmissbrauch durch Dritte“ gemeldet und gespeichert wurden. „Es handelt sich um die Information, dass bei einem Telekommunikationsunternehmen ein Vertragskonto, also ein Kundenkonto, besteht, mit dem für das Telekommunikationsunternehmen ein kreditorisches Risiko verbunden ist.“
Wer seine Handyrechnung nicht zahlt, muss allerdings weiterhin mit Minuspunkten bei der Kreditwürdigkeit rechnen, wie die Schufa mitteilt. „Informationen zu Zahlungsausfällen werden weiterhin gemeldet und im Rahmen von Bonitätsscores und -auskünften verarbeitet.“
Was sind die Auswirkungen auf den Schufa-Score?
Obwohl die Schufa potenziell Millionen Daten löscht, wird es nach eigener Aussage keine großen Auswirkungen geben. „Unsere Analysen im Vorfeld zur Löschung haben gezeigt, dass sich die Scores im Durchschnitt nur marginal verändern“, heißt es seitens der Schufa. Allerdings hat der Wegfall der vermeintlich harmlosen Daten sehr wohl einen Effekt auf den Bankenscore, der laut Schufa am häufigsten für Kreditentscheidungen herangezogen wird.
Der Effekt kann sowohl positiv wie negativ sein: „Bei 53 Prozent der Personen wird der Score nach Löschung niedriger, bei 47 Prozent höher sein (je höher desto besser)“, schreibt die Schufa. Der Grund: Langjährige Vertragsbeziehungen mit Providern flossen bisher positiv in den Score ein, waren allerdings viele Verträge gemeldet, konnte sich dies negativ auswirken, da die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls sich statistisch erhöhte.
Was sagen Verbraucherschützer zu der Löschaktion?
Die Verbraucherzentrale NRW, die auch die O2-Klage durchgefochten hat, begrüßt den Schritt. „Wir freuen uns, dass unser Einsatz für Verbraucherrechte nun konkrete Maßnahmen nach sich zieht, indem die Schufa die unrechtmäßige Datenspeicherung beendet und die vorhandenen Daten löscht“, sagt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. Diese Maßnahme könne aber nur der erste Schritt sein. „Wir fordern die Telekommunikationsanbieter weiterhin auf, die Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien generell einzustellen.“
Einen kritischen Blick auf die Löschungsaktion haben hingegen zwei Anwaltskanzleien, die wegen der Datenweitergabe im Namen von Tausenden Verbrauchern Klage einreichen wollen. Bis zu 5000 Euro Schadensersatz je Verbraucher wollen die Anwälte einklagen. „Böse Zungen sagen: Das ist kein Einknicken, das ist eine Beweisvereitelung“, sagt der auf Internet- und Medienrecht spezialisierte Anwalt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei WBS. Mobilfunkkunden könnten so in Zukunft nicht mehr feststellen, welche Daten die Mobilfunkbetreiber illegal an die Schufa übertragen hätten. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, kommentiert Solmecke. Nach Aussage des Anwalts hat seine Kanzlei bei der Schufa bislang 50.000 Auskünfte im Namen von Mobilfunkkunden angefordert, um die Klagen zu unterfüttern.
Dieser Artikel ist zuerst bei stern.de erschienen.