Wärmepumpen
Viessmann zahlt auf Milliarden-Deal nur 1,5 Prozent Steuern
CEO Max Viessmann und sein Vater Martin Viessmann begrüßen Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 bei dessen Besuch des Familienunternehmens im hessischen Allendorf
© picture alliance/dpa | Nadine Weigel
Viessmann nutzt einen Steuerkniff und kann seine Wärmesparte so nahezu steuerfrei an den US-Konzern Carrier Global verkaufen
Das Familienunternehmen Viessmann verkauft seine Wärmesparte an den US-Konzern Carrier Global, doch der Fiskus profitiert kaum von dem Deal. Wegen weitreichender Steuerprivilegien werden auf den Verkaufserlös nur geringfügig Steuern fällig: Experten rechnen mit einem Steuersatz von 1,5 Prozent und damit etwa 180 Mio. Euro.
Ende April verkündete Viessmann das Geschäft. Das Familienunternehmen aus Nordhessen kassiert für die Wärmesparte, die Viessmann Climate Solutions SE, 12 Mrd. Euro von Carrier Global – davon 9,6 Milliarden in bar und 2,4 Milliarden als Carrier-Aktien. Steuerlich relevant ist der Veräußerungsgewinn, der sich berechnet als Verkaufswert minus Buchwert.
Die veräußernde Muttergesellschaft ist die Viessmann Group GmbH und Co. KG. Diese Rechtsform der Personengesellschaft unterliegt eigentlich strengeren steuerlichen Regeln: Sie muss wie Privatanleger und Kommanditisten als natürliche Personen mindestens 25 Prozent Abgeltungs- bzw. Einkommensteuer zahlen.
Der entscheidende Kniff ist, dass die Viessmann-Familienmitglieder – Vater Martin Viessmann und seine Kinder Max und Anna-Katharina – die zu verkaufende Tochtergesellschaft nicht selbst als Kommanditisten halten, sondern über von ihnen gegründete Kapitalgesellschaften (GmbHs). Deshalb müssen sie nur fünf Prozent des Veräußerungsgewinns versteuern, was höchstens 600 Mio. Euro entspricht. Darauf fallen knapp 30 Prozent Körperschafts- und Gewerbesteuer an, also 180 Mio. Euro.
Privilegien-Gesetz Anfang 2000 unter Rot-Grün beschlossen
Dass Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften zu 95 Prozent steuerfrei sind, gilt seit der Unternehmenssteuerreform der rot-grünen Bundesregierung Anfang der 2000er-Jahre. Damals wollten SPD und Grüne den Veräußerungsgewinn für Kapitalgesellschaften sogar komplett von der Steuer befreien. Doch nach heftiger Kritik vor allem aus dem Mittelstand, gab es einen Kompromiss. Seither müssen Kapitalgesellschaften fünf Prozent des Veräußerungsgewinns versteuern.
„Der Staat unterstellt, dass das Geld im Unternehmen bleibt und reinvestiert wird“, erklärt Andre Happel, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Noerr, die Idee hinter der weitgehenden Steuerbefreiung.
Viessmann habe diese Regelung klug genutzt. „Die Familie ist sehr gut aufgestellt für den Verkauf. Das ist nicht bei jedem Familienunternehmen der Fall“, sagt Happel. Einige Firmen versäumen, diese Angelegenheiten zu regeln, „und dann werden teilweise 30 bis 50 Prozent Steuern fällig“. Ob eine Gesellschafterstruktur wie bei Viessmann aber generell und auch für die Besteuerung laufender Einnahmen geeignet sei, lasse sich nicht sagen. Das müsse im Einzelfall entschieden werden.
Über die Besteuerung von Unternehmen wird in Deutschland seit Jahren gestritten. Kritiker bemängeln weitreichende Privilegien gegenüber den Steuersätzen für Privatanleger und normale Arbeitnehmer. So hatten Lobbyisten der Familienunternehmen 2016 etwa weitreichende Steuerentlastungen für Erben großer Firmen durchgesetzt. Inzwischen wird eine Reform der Unternehmensbesteuerung nicht nur national, sondern auch international diskutiert. Anfang April etwa einigten sich 138 Staaten im Rahmen der OECD auf eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent, die vor allem internationale Großkonzerne betreffen wird.