Wie kann man Menschen in Deutschland ein langfristig soziales, nachhaltiges und sicheres Leben ermöglichen? Dieser Frage geht Marco Alberti mit seinem Gastbeitrag nach und stellt die These auf: Deutschland braucht einen Businessplan
Ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie wären Investor und die Deutschland AG würde Sie gerne überzeugen, Ihr Kapital in der nächsten Finanzierungsrunde dort zu investieren. Was würden Sie sehen wollen, um zu einer positiven Investitionsentscheidung zu kommen und – fast noch spannender – was würden Sie sich nach der Investition anschauen, um zu verstehen, ob es auch ein guter Deal war?
Um das Vorhaben des Unternehmens im Vorfeld besser einschätzen zu können, benötigt es einen Businessplan; und zwar einen umfassenden, was deutlich mehr ist als die Vorstellung einer wilden Excel-Tapete mit endlosen Zahlen. Ein guter Businessplan muss unter anderem die folgenden grundlegende Fragen beantworten: Worum geht es? Wie soll das erreicht werden? Wie viele Ressourcen werden realistischerweise gebraucht? Und wer sorgt dafür, dass es auch wirklich so eintritt, also umgesetzt wird?
Von Visionen zu konkreten Strategien
Die erste Frage, die Sie als Investor stellen würden, ist die nach der Vision des Unternehmens. Angenommen, die Vision lautet, den Menschen in Deutschland ein soziales, nachhaltiges und sicheres Leben im Einklang mit europäischen Werten zu ermöglichen. Eine Vision, die wohl kaum jemand ablehnen würde. Aber wie soll diese Vision erreicht werden? Hier beginnt die eigentliche Arbeit.
Im Gegensatz zu Wahlkämpfen, in denen oft nur Schlagworte und Forderungen im Raum stehen, muss ein Businessplan konkrete Strategien und Maßnahmen darlegen. Dies beinhaltet eine detaillierte Analyse der aktuellen Situation, eine klare Definition der Ziele und eine Aufstellung der notwendigen Ressourcen. Es geht darum, die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dem demografischen Wandel, der Digitalisierung und der Globalisierung ergeben, systematisch zu analysieren und darauf aufbauend eine kohärente Strategie zu entwickeln. Es braucht also konkrete Hypothesen, worauf man inhaltlich setzt, anstatt mit Forderungen an den Tisch zu treten, die – je nach Zielgruppe und Wählerschaft – mehr oder weniger erstrebenswert sind.
Die Herausforderung der Zielkonflikte
An dieser Stelle wird eine Sache extrem deutlich: Es gibt Trade-Offs und Zielkonflikte zwischen den unterschiedlichen erstrebenswerten Aspekten. Isoliert betrachtet sind die Forderungen nach einem einsatzfähigen Militär, nach mehr Schulen oder besserer Kinderbetreuung sinnvoll und erstrebenswert. Wenn die Ressourcen jedoch nicht reichen, dann müssen sich Unternehmen in der Regel entscheiden: Mehr von dem einen bedeutet gleichzeitig weniger von dem anderen. Teilweise konkurrieren die Ziele nicht nur um die gleichen Ressourcen, sondern sie sind sogar negativ korreliert: Ein extremer Anspruch an den Datenschutz geht beispielsweise zu Lasten einer hohen Innovationsgeschwindigkeit digitaler Technologien – und andersherum.
Der Balanceakt zwischen Vision und Realität
Der Businessplan muss also ein Gesamtkunstwerk zeichnen, wie sich die Zukunft entfaltet, wenn sich alles so – oder so ähnlich – entwickelt, wie gewünscht. (Das hat im Fall der Deutschland AG den Charm, dass die Entscheider:innen in der Planungsphase nicht annehmen dürfen, dass sie in der Umsetzung sowieso durch andere blockiert werden. Zumindest in der Planungsphase müsste es logisch also aufgehen.) Die dargelegten Strategien müssen nicht nur auf die wichtigsten Ziele einzahlen, sondern vor allem als konkret umsetzbar erscheinen, unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen. Was hilft es Ihnen, wenn das Unternehmen in einem halben Jahr feststellt, dass die Planung völlig unrealistisch war und man schnell weitere Finanzierungen nachschieben muss, um nicht unterzugehen? Dann hätten Sie lieber erst gar nicht investiert.
Der Plan trifft also konkrete Annahmen darüber, wie sich die Einnahmen und Ausgaben in der Zukunft auf Basis der getroffenen Entscheidungen entwickeln werden und legt glaubhaft dar, dass die Investition am Ende auch einen Mehrwert erzeugt und einen sogenannten Return erwirtschaftet. Wobei man in diesem Gedankenspiel sogar mit einer schwarzen Null leben könnte.
Sie als erfahrene Investorin oder erfahrener Investor wissen natürlich, dass die Planung am Ende niemals so eintreten wird. Aber sie haben dennoch einen entscheidenden Vorteil durch den Businessplan: Sie können die Denkmodelle und die Qualität der Entscheidungen der handelnden Personen beurteilen. Glauben Sie an die getroffenen Annahmen und halten Sie die Hypothesen für valide? Ist das Ambitionslevel sportlich, aber nicht gänzlich unrealistisch?
Es geht um Team, Taktik und Transparenz – und fortwährende Anpassung
Unter Investorinnen und Investoren gilt der geflügelte Spruch, dass man nicht ins Unternehmen, sondern in das Team investiert. Daher schauen Sie sich natürlich im Businessplan die Seiten mit den Personalien ganz besonders genau an. Was haben die Personen in den Schlüsselpositionen für einen Hintergrund? Haben sie belastbare Erfahrungen in den Bereichen, die sie verantworten? Welche Motivationen stecken dahinter und wie lange werden sie jeweils halten?
Bevor Sie den Banker verständigen, schon mal die Überweisung vorzubereiten, würden Sie sich natürlich noch in einer Du Diligence anschauen, wie es um das Unternehmen aktuell so bestellt ist und ob das alles auch den in der Planung getroffenen Annahmen entspricht.
Nachdem Sie nun Ihren Anteil an der Deutschland AG erhoben haben, kommt der spannendste Teil: Die Umsetzung des Plans. Da ja mittlerweile auch der größte deutsche Konzern erkannt hat, dass eine statische Umsetzung einer Planung in sich schnell verändernden Umfeldern wenig Aussicht auf Erfolg hat, verpflichten Sie die Führung der Deutschland AG zu „Business Agilität“ mit Hilfe von OKRs, so dass die Investoren jederzeit volle Transparenz über das Vorankommen haben und in regelmäßigen Abständen angepasst und nachgesteuert werden kann.
Anhand des agilen Steuerungsmodells optimieren nun nicht mehr einzelne Bereiche anhand definierter Budgets ihr eigenes Wirkungsfeld allein, sondern die relevanten Trade-Off-Entscheidungen werden auf das globale Optimum hin optimiert und mit allen Stakeholdern gemeinsam entschieden. Das steigert enorm die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende ein gutes Ergebnis erzielt wird und reduziert die altbekannte „Silo-Denke“ und Frontenbildung. Und wie bei jeder Transformation schauen Sie natürlich ganz genau hin, wenn es Machtkämpfe statt lösungsorientierter Diskussionen gibt.
Steht nach vier Jahren dann wie geplant die nächste große Finanzierungsrunde an, können Sie sich aufgrund der Fortschritte schnell entscheiden, ob Sie noch weiter investieren wollen – oder sich nach Alternativen umschauen.
Business Agilität als strategische Weichenstellung für Deutschland
Eine agile Steuerungsmethode auf Basis eines soliden Businessplans n bietet eine strukturierte Herangehensweise an die komplexen Herausforderungen, denen sich Deutschland gegenübersieht. Er schafft Klarheit, fördert die Verbindlichkeit und erleichtert die Entscheidungsfindung. In einer Zeit, in der schnelle und fundierte Entscheidungen immer wichtiger werden, ist solch ein Vorgehen für Deutschland nicht nur wünschenswert, sondern notwendig. Weil es die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellt.