Sebastian Ströbel spricht exklusiv mit GOLDENE KAMERA über seinen Film “Herzstolpern”, seine Familie und die damit verbundenen Herausforderungen.
Sebastian Ströbel (46) spielt in dem TV-Zweiteiler “Herzstolpern” (7. und 8. Mai um 20.15 Uhr im ZDF oder in der Mediathek) den Vater eines Jungen, der mit Trisomie 21 zur Welt gekommen ist. Als sich sein Sohn Felix (Benjamin Raue) auf einem inklusiven Bauernhof in Emma (Juliane Siebecke) verliebt und mit ihr heimlich nach Italien reist, wird Vater Alex nervös und muss lernen loszulassen. Im exklusiven Interview mit GOLDENE KAMERA spricht Ströbel über den Film und seine eigenen Sorgen als Vater von vier Töchtern.
GOLDENE KAMERA: Ihr Filmsohn Felix hat Trisomie 21. Welche Rolle spielt dies in den Filmen?
Sebastian Stöbel: Das Schöne an unseren Filmen ist, dass die Krankheit nicht die Hauptrolle spielt. Es geht nicht um das Chromosom, das die beiden jungen Erwachsenen zu viel haben. Dies wird ganz normal behandelt, ohne groß besprochen zu werden. Vorurteile werden abgebaut, weil die Filme einfach Kontakt schaffen. Sie erreichen Inklusion so, wie Inklusion sein sollte, nämlich unaufgeregt.
Erzählen Sie den Lesern doch bitte kurz, worum es in “Herzstolpern” geht.
Es ist ein Road- und zugleich ein Coming-of-Age-Film. Zwei junge Menschen hauen nach Italien ab, um erwachsen zu werden. Meine Rolle, Alexander Häverkamp, ist Vater eines 20-jährigen Sohnes, der das Downsyndrom und einen schweren Herzfehler hat. Deshalb braucht Felix eine neue Herzklappe. Über die Jahre hat sich bei den Eltern eine erhöhte Gluckentätigkeit entwickelt und als sich ihr Sohn verliebt und abnabelt, können die beiden nur schwer loslassen.
Sebastian Ströbel: “Es wird von Tochter zu Tochter leichter”
Sie sind Vater von vier Töchtern im Alter von vier bis 17. Kennen Sie diese Sorge?
Was das Gesundheitliche angeht zum Glück nicht. Ich bemühe mich loszulassen, weil ich weiß, dass ich das muss. Aber es fällt mir schwer. Körperlich ist das kein Problem, aber im Kopf schon. Es gibt diese Momente, wenn das Kind zum ersten Mal allein zur Schule geht oder bis spät nachts auf einer Party bleibt und allein nach Hause gehen darf. Aber es wird von Tochter zu Tochter leichter (lacht).
Sie haben schon viel Erziehungs-Erfahrung: Welche Tipps würden Sie Ihrer Rolle Alexander geben?
Auch wenn ich seine Sorgen natürlich verstehe, sollte er versuchen, gelassener zu sein. Aber es ist schwer, Tipps zu geben. Er steckt ja seit Jahren in dieser Sorge drin. Alexander hat nie auf seine eigenen Befindlichkeiten achten können und denen auch keinen Raum gegeben. Das kann einen schon kaputt machen.
Oder die Beziehung. Wie hätte er das verhindern können?
Seine Frau und er hätten mehr aufeinander achten und sich aufeinander zubewegen müssen. Es sollten nicht nur die Ängste um das Kind, sondern auch die Sorgen und Bedürfnisse des Partners im Vordergrund stehen.
Wie halten Sie es mit Ihrer Frau Kristina? Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
So banal es klingt: Ich glaube, es geht um Kommunikation und das Wollen von beiden Seiten. Es ist eine Grundbereitschaft und eine bewusste Entscheidung. Wir haben uns für die Kinder und füreinander entschieden und ziehen es bewusst durch. Heutzutage leben wir ja in so was wie einer Wegwerfgesellschaft. Nur weil etwas Gebrauchsspuren hat oder es Verletzungen gibt, kann man nicht alles auf Null setzen. Zumal der Kreislauf der Liebe, also das Frischverliebtsein, dann das Abnutzen und so weiter sich wahrscheinlich mit egal welchem Menschen wiederholt.
Und wie sieht das bei Ihnen als Paar im Konkreten aus?
Egal, wie stressig es ist: Wir tauchen immer mal wieder aus dem Alltag auf. Wir sind seit über 24 Jahren zusammen und der Wille von uns beiden ist da, sich Räume zu schaffen, in denen man sich zuhört und mit einem immer wieder anderen Blick aufeinander schaut. Wenn man keinen Zugang zu dem anderen kriegt, dann liegt es schlicht daran, dass man keine Zeit miteinander verbracht und keine gemeinsamen Erlebnisse geschaffen hat.
Die Herausforderung im Film sind auch die beruflichen Veränderungen. Kennen Sie das?
Nein, zum Glück nicht. Zwar liebe ich meinen Job, aber die Arbeit darf nie über allem stehen. Es darf nicht sein, dass man von der Arbeit kommt und sagt: “Ich muss mich ausruhen, weil ich von der Arbeit so gestresst bin.” Schließlich sollte es paritätisch sein und der oder die Partnerin macht genauso viel. Man sollte schon genau einschätzen, was einem was wert ist. Wenn man beispielsweise sagt: “So, ich gehe jetzt zur Weiterentwicklung nach Amerika”, dann kann man das natürlich machen, aber man darf sich nicht beschweren, wenn man in der Konsequenz vor einem Scherbenhaufen steht und nichts mehr funktioniert. Man kann im Leben nicht immer alles in eine Waagschale werfen und sich wundern, warum die andere leer ist. Den Preis dafür muss man zahlen, entweder am Lebensende oder mit einer gescheiterten Beziehung.
Sebastian Ströbel: “Die Menschen scheitern, wenn sie anfangen, noch mehr anzuhäufen”
Aber was ist, wenn man sich so wie im Film für die Arbeit entscheidet?
Natürlich kann jeder die Prioritäten frei wählen, aber dann sollte man auch ehrlich sein und den Kindern sagen: “Die Arbeit war mir wichtiger” und nicht “Das war halt gerade die Zeit”. Damit meine ich nicht den Broterwerb, der notwendig ist. Die Menschen scheitern, wenn sie anfangen, noch mehr anzuhäufen, wenn sie mehr haben wollen als sie benötigen und dabei die eigentlichen Dinge aus den Augen verlieren.
Sie drehen für “Die Bergretter” viel in Österreich, leben aber in Hamburg-Harburg. Wie schaffen Sie das?
Wir drehen in Blöcken. Ich stehe zwei Monate vor der Kamera, aber fahre jedes Wochenende nach Hause. Dann habe ich drei Wochen frei, dann wieder zwei Monate drehen usw. Ich bemühe mich, wo ich nur kann, dass wir das alles zusammen wuppen können.
Ihren Alltag mit dem vielen Reisen, vier Kindern, der Arbeit Ihrer Frau, zwei Hasen, Hund und Haus – das stelle ich mir schon anstrengend vor. Ist es schwer, das alles unter einen Hut zu bekommen?
Ja, es ist krass. Natürlich komme ich auch an meine Grenzen. Es gibt die Momente, in denen man kaum Luft kriegt, weil man von den Sorgen des Alltags zerfressen wird. Aber ich bin ein positiv denkender Mensch und möchte die Zeit auch bewusst genießen. Mir ist es wichtig, immer auf die Wünsche meiner Töchter einzugehen. Ich starte den Tag mit einer positiven Grundhaltung und dann kann ich am Abend immer noch sagen: “Boah, war das anstrengend.” Man bekommt so viel zurück und es kommen ja auch wieder andere Zeiten, in denen werden wir bestimmt sagen: “Hätten wir das mal mehr genossen.” Wie wir alle wissen, werden Kinder so schnell groß und haben keinen Bock mehr auf einen.
Interview: Kristina Heuer