Meinung
Fusion in der Luxusbranche
Lockruf des Luxus: Warum sich das LVMH-Modell nicht einfach kopieren lässt
Versace-Geschäft in der Schweiz: Die Marke gehört den bekannteren im neuen Luxuskonglomerat
© IMAGO / NurPhoto
Der Boom der Luxusanbieter und der Erfolg des Marktführers LVMH weckt Nachahmungsgelüste bei Anlegern und Konzernmanagern. Dass diese sich durch das jüngste Zusammengehen zweier amerikanischer Markenkonglomerate erfüllen, ist aber unwahrscheinlich
Luxus weckt Begehrlichkeiten. Das gilt nicht nur in den Flagshipstores, den Edel-Einkaufszentren und Onlineshops, in denen Handtaschen für fünfstellige Beträge über den Ladentisch gehen. Es gilt längst auch für Investoren und Konzernlenker. LVMH, der französische Luxus-Marktführer, zu dem Labels wie Dior, Louis Vuitton und Tiffany’s gehören, wurde das wertvollste Unternehmen Europas mit fast 500 Mrd. Euro Börsenwert, der LVMH-Mehrheitseigner Bernard Arnault überholte zeitweise Tesla-Tycoon Elon Musk als reichster Mensch der Welt.
Seit dem Ende der Coronapandemie explodieren die Börsenbewertungen von Luxusanbietern. Davon profitiert nicht nur LVMH, auch die Schweizer Richemont-Gruppe, Prada und Moncler aus Italien, Burberry’s aus England, aber auch Autohersteller wie Ferrari und Porsche, das im vergangenen Herbst einen erfolgreichen Börsengang unter den Vorzeichen des Luxus hinlegte.
Alle wollen vom Luxusboom profitieren. Das treibt nun auch zwei amerikanische Unternehmen an, die in den vergangenen Jahren, jedes für sich, der Idee nacheiferten, das US-Pendant zu LVMH zu werden. Nun haben sie am Donnerstag dieser Woche Fusionspläne angekündigt. Es soll jetzt endlich klappen, der Idee näher zu kommen. Die New Yorker Tapestry will die ebenfalls in Manhattan ansässige Capri Holdings übernehmen für eine Bewertung von 8,5 Mrd. Dollar.
Die Namen der zwei Konzerne sind nur Eingeweihten bekannt, nur einige ihrer Marken sagen auch Europäern etwas. Tapestry kontrolliert vor allem USA- und asienzentrierte Modeanbieter, die Kleidungs- und Handtaschenverkäufer Kate Spade und Coach sowie die Schuhmarke Stuart Weitzmann. Zu Capri gehören auch in unseren Breiten populärere Marken wie Versace, Michael Kors oder Jimmy Choo. Tapestry-Chefin Joanne Crevoiserat warb laut einer Mitteilung für den Deal mit genau der Hoffnung auf den weltweiten Markt für Highendgüter, die derzeit so viele antreibt: „Die Kombination von Coach, Kate Spade und Stuart Weitzman zusammen mit Versace, Jimmy Choo und Michael Kors schafft ein neues, starkes, globales Luxusunternehmen, das eine einzigartige Gelegenheit bietet, den Wert für unsere Verbraucher, Mitarbeiter, Gemeinden und Aktionäre auf der ganzen Welt zu steigern.”
Tapestry setzt auf Zentralisierung
Zweifel an dieser Ansage sind angebracht. Denn die Strategie von Tapestry ist gerade nicht die von LVMH. Arnault sammelt erfolgreich Marken, die er als wertvoll identifiziert und treibt dann systematisch ihren Umsatz und ihren Profit nach oben, indem er ihren Vertrieb in die ganze Welt expandiert, aber das Angebot gleichzeitig verknappt und die Preise stark anhebt. Mit zusätzlichen Produktkategorien und Kooperationen mit Pop-Design- und bildenden Künstlern wird den Marken neues Leben einhaucht. Nach außen hin vermeidet er jede Konzernlogik, es gibt nur sehr begrenzt Zentralfunktionen bei LVMH.
Bei dem neuen US-Konglomerat sieht das ganz anders aus. Zunächst einmal beschwört der Fusionskonzern jetzt die Segnungen der Zentralisierung: Der Deal bringe Marken zusammen, die „von Tapestrys datenreicher Customer Engagement Plattform und dem diversifizierten Direct-to-Consumer Betriebsmodell unterstützt werden“, erklären die Konzernverantwortlichen in schwer verständlicher Sprache und meinen damit offenbar: Vereinheitlichung von Verkaufsprozessen. Jetzt schon ist erkennbar, dass sich zum Beispiel die Websites der Tapestry-Marken in Struktur und Aufbau gleichen wie ein Ei dem anderen, das würde bei LVMH nicht vorkommen.
Dazu kommt, dass die Marken nicht die gleiche Qualität haben wie beim Vorbild. Michael Kors, Kate Spade und Coach bieten schon Handtaschen für dreistellige Beträge, das ist definitiv noch nicht Luxus. Viele der sechs Marken sind eher fürs Angebot in großen Shoppingmalls und Outletcentern konzipiert, da wo man LVMH-Marken eher nicht antrifft. Versace – die einzige Marke von wirklich globaler Bekanntheit im Portfolio – und Jimmy Choo hingegen erreichen schon Luxusniveau, haben aber in vieler Hinsicht auch noch Entwicklungsrückstände.
Ob das ausreicht, um ein wirklich globales Luxuskonglomerat aufzubauen, erscheint fraglich. Aber derzeit reicht manchmal schon das Versprechen, um an den Finanzmärkten Begehrlichkeit auszulösen.