Vom Musterschüler auf den deutschen Trainerthron? Julian Nagelsmann soll neuer Fußball-Bundestrainer werden und die deutsche Nationalmannschaft bei der anstehenden Heim-Europameisterschaft zum Erfolg führen. Der DFB hat die Verhandlungen aufgenommen, eine offizielle Bestätigung soll bald erfolgen. Nagelmann würde damit auf Hansi Flick folgen, der Anfang September vom DFB freigestellt wurde. Nagelsmann ist der Wunschkandidat von DFB-Sportdirektor Rudi Völler, der beim Freundschaftsspiel gegen Frankreich selbst als Interimscoach eingesprungen war.
Vor seinem möglichen Engagement beim DFB war Nagelsmann, der als Inbegriff des jungen und modernen Fußballtrainers gilt, in der Bundesliga für TSG Hoffenheim, RB Leipzig und den FC Bayern München tätig.
Jüngster Cheftrainer der Bundesliga
Seine eigene Karriere als Profispieler musste Nagelsmann mit 20 Jahren verletzungsbedingt aufgeben – nach mehreren schweren Knieverletzungen und einem diagnostizierten Knorpelschaden. Damals kickte er in der zweiten Mannschaft des FC Augsburg unter Thomas Tuchel, der dessen Trainertalent früh erkannte. So begann Nagelsmann seine Trainerkarriere im Stab von Tuchel in Augsburg, später wurde er Assistent bei 1860 München.
Mit dem Ziel vor Augen, Bundesligatrainer zu werden, orientierte er sich vor allem an den etablierten Trainern Pep Guardiola und Tuchel. Er begann seine Ausbildung zum Fußballlehrer im Frühjahr 2015, avancierte bereits mit 25 Jahren zum Interimstrainer in Hoffenheim und wurde schließlich zur Saison 2016/17 als Cheftrainer des Bundesligisten berufen. Mit nur 28 Jahren übernahm er das Ruder von Huub Stevens in Hoffenheim und schrieb somit als jüngster Bundesliga-Coach Geschichte.
Trainer des Jahres 2017
Julian Nagelsmann übernahm Hoffenheim im Abstiegskampf und führte das Team mit einer offensiven und spielfreudigen Spielweise bis in die Spitzengruppe der Bundesliga. 2016 schloss er seine Fußballlehrer-Ausbildung als Zweitbester des Jahrgangs ab und erreichte mit Hoffenheim die Champions-League-Qualifikation. Er wurde daraufhin mit zahlreichen Auszeichnungen überhäuft und wurde Trainer des Jahres 2017.
Trotz vieler Anfragen verlängerte Nagelsmann 2017 seinen Vertrag mit Hoffenheim bis 2021. In der darauffolgenden Saison erreichte er mit seinem Team den dritten Platz in der Bundesliga und schaffte somit die direkte Qualifikation zur Champions League.
Über RB Leipzig zu den Bayern
Im Juni 2018 gab Nagelsmann bekannt, dass er zur Saison 2019/20 zu RB Leipzig wechseln würde. Unter seiner Führung wurde Leipzig dann Herbstmeister, landete am Ende auf Platz drei und erreichte das Champions-League-Halbfinale. In der Saison 2020/21 wurde Leipzig erstmals Vizemeister, schied jedoch im DFB-Pokal und der Champions League aus. Nagelsmann wechselte daraufhin zum FC Bayern München – als Nachfolger von Hansi Flick.
Dieser Wechsel markierte nicht nur einen bedeutenden Schritt in seiner eigenen Karriere, sondern auch einen Meilenstein in der Bundesliga-Geschichte, da die Münchner eine Rekord-Ablösesumme von 25 Millionen Euro für den Trainer zahlten. Unter seiner Führung gewann der Verein den DFL-Supercup im August 2021 und die deutsche Meisterschaft 2022.

Danach zeigten sich erste Risse: Eine bittere 0:5-Niederlage im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach und das unerwartete Champions-League-Aus gegen den FC Villarreal sorgten für Unruhe. Aus den Rissen wurden bald tiefe Verwerfungen. Die Bayern verspielten unter Nagelsmann einen großen Teil der Führung in der Liga auf Borussia Dortmund. Die Entlassung im März 2023 kam aber dennoch überraschend, denn der FC Bayern hatte zu diesem Zeitpunkt noch Chancen auf die Meisterschaft, sowie die Titel in DFB-Pokal und Champions League. Die Münchener verpflichteten daraufhin Thomas Tuchel als Nachfolger.
Innovativer Stratege
Julian Nagelsmann lässt offensiven Fußball mit Kurzpass- und Kombinationsspiel spielen. Bei Ballverlusten setzt er auf schnelles Gegenpressing und defensiv auf Raumdeckung. Zudem betont er die Bedeutung von Teamgeist und sozialer Interaktion im Training. Über die Rolle des Trainers im modernen Fußball sagte Nagelsmann in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: “Man muss ein Menschenfänger sein. Als Trainer muss man es hinkriegen, dass nicht die Interessen der Spieler, sondern die Interessen des Teams im Vordergrund stehen.”
Liverpool-Trainer Jürgen Klopp sieht in ihm ein “herausragendes Trainertalent mit einem unglaublichen Profil”. Manuel Neuer beschrieb ihn in einer Pressekonferenz als “dominant”, aber auch stets “mit einem offenen Ohr”. Joshua Kimmich hält ihn für einen “überragenden Trainer – locker in den Top drei meiner besten Trainer”.

Nagelsmann ist außerdem für seine gute Rhetorik, die Fähigkeit zur Begeisterung und sein taktisches Wissen bekannt. Im Interview mit dem Münchener Merkur sagte er, das Amt des Nationaltrainers könne er sich grundsätzlich vorstellen. “Es ist eine große Ehre Bundestrainer zu sein. Aber da habe ich noch ein wenig Zeit, und ich möchte noch täglich auf dem Platz stehen und den Vereinsfußball genießen”, so Nagelsmann 2020.
Nun könnte diese Zeit früher gekommen sein, als er es sich selbst vorgestellt hat. Mit 36 Jahren wäre Julian Nagelsmann nach Otto Nerz der zweitjüngste Bundestrainer der Geschichte. Nerz hatte im Jahr 1926 im Alter von 34 Jahren als erster das Traineramt beim DFB übernommen und blieb bis 1936.