Meinung
Studie unter der Lupe
Ist Baden-Württemberg wirklich so innovativ wie das Silicon Valley?
Mit der Kampagne „The Länd“ präsentiert sich Baden-Württemberg als führender Standort für Technologie und Innovation
© IMAGO / Arnulf Hettrich
Steht Deutschland doch besser da als gedacht? Laut einer neuen Studie gehören einige Bundesländer tatsächlich zu den innovativsten Regionen weltweit. Leider hat die Untersuchung einen gewaltigen Haken
Diese Meldung verblüfft: Baden-Württemberg soll einer Studie zufolge ähnlich innovativ sein wie das für seine Techfirmen bekannte Kalifornien. Das Ländle liegt demnach auf Rang drei direkt hinter Massachusetts und und dem legendären US-Bundesstaat an der Westküste, der Heimat des Silicon Valley. Spitze bei den Patentanmeldungen, hohe Forschungsausgaben, herausstechend bei Gründungen – all das trifft demnach auch auf den deutschen Südwesten zu. Auch Bayern und Hessen schaffen es in diesem Ranking der innovativen Regionen, das das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) mit sechs internationalen Forschungsinstituten erarbeitet hat, auf Platz sieben und neun, Berlin immerhin auf Rang elf von 121 Teilnehmerregionen aus den USA, Schweden, Polen, Italien, Ungarn und Österreich. Ausgerechnet Deutschland erscheint im internationalen Vergleich als besonders innovativ – und hält dabei offenbar mit globalen Boomregionen mit.
Ein Hurra auf den Standort Deutschland also – statt des allgemeinen Abgesangs. Doch wie kann das sein? Zumal der Absender ausgerechnet das Institut der deutschen Wirtschaft ist, bekanntlich arbeitgebernah und sonst allzeit bereit, die Standortschwäche Deutschlands anzuprangern. Üblicher Tenor: Hier läuft nichts mehr, bevor nicht die Bürokratie abgebaut und die Atomkraftwerke wieder ans Netz gegangen sind.
Ist der Standort womöglich besser als sein Ruf? Sollte Deutschland doch beweglicher und wettbewerbsfähiger sein als es sonst den Anschein hat? Immerhin ist Innovation die harte Währung der Wissensgesellschaft und findet da statt, wo es Talente gibt, Biotope und Mut zum Experimentieren. Anhand von 13 Kriterien haben die Forscher die Innovations- und Wettbewerbsstärke einer Region bewertet, eingeteilt in die drei Kategorien Qualifikation der Beschäftigten (darunter auch Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte und Mint-Berufe), Globalisierung (etwa ausländische Direktinvestitionen) und Innnovationskapazität (darunter Zugang zu schnellem Internet, Forschungsausgaben, Zahl der Forscher, Gründungen, Patente, Wagniskapital und CO2-Reduktion). Dabei fließt letzteres mit mehr als 50 Prozent in die Bewertung ein.
Veraltete Daten
Der Schatz Deutschlands sind die Hochqualifizierten, hier sticht die Region Berlin-Brandenburg hervor, wo 35 Prozent der 25- bis 64-Jährigen einen Bachelor oder höheren Abschluss haben. Auffällig, wenn auch wenig überraschend, dass diese Region in Deutschland die meisten gut ausgebildete Zuwanderer anzieht, viermal so viele wie etwa Sachsen-Anhalt, und gerade diese Gruppe deutschlandweit besonders viele Patente anmeldet. Aber auch bei den Forschungsausgaben und Gründungen stehen Deutschlands Topregionen besonders gut da.
Allerdings gibt es einen schwerwiegenden Makel der Studie: Die Daten sind nämlich sämtlich veraltet. Egal ob Breitbandanschlüsse (2019), High-Tech-Exporte (2017), ausländische Direktinvestitionen (2017 bis 2019) oder Patent-Anmeldungen (2015!). Die Bestandsaufnahme wirft eher ein Blick in den Rückspiegel als nach vorne.
Warum das so sein muss, selbst bei Daten, die aktueller vorhanden sind, erschließt sich nicht. Und so ist es dann auch unbefriedigend, wenn im Deutschland-Kapitel weitgehend ohne Zahlenbasis doch noch die übliche Standortschelte folgt, wonach sich die Bedingungen für Investitionen in Deutschland verschlechtern. Abgeleitet werden die üblichen Forderungen nach niedrigen Energiekosten für die Industrie und einem schnelleren Ausbau alternativer Energien.
Was bleibt? Die Frage, wem diese Studie weiterhilft.