Entschuldigung ja, aber Rücktritt nein – Luis Rubiales, Chef des spanischen Fußballverbands RFEF, zeigte am Freitag bei einer eilig einberufenen, außerordentlichen Generalversammlung in Madrid auf recht provokante Art und Weise, was er von den Vorwürfen gegen seine Person hält: “Ich trete nicht zurück, ich trete nicht zurück, ich trete nicht zurück”, rief Rubiales vom Podium herunter und stellte die rhetorische Frage: “Ein einvernehmliches ‘Knutschen’ ist genug, um mich hier rauszuholen? Ich werde bis zum Ende kämpfen!” Der 46-Jährige sah sich nicht als Verursacher, sondern als Opfer der Affäre: “Hier geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um eine soziale Hinrichtung”, sagte er und bezeichnete die Kritik an seiner Person als “falschen Feminismus”.
Rubiales hatte bei der Siegerehrung der Fußball-WM am vergangenen Sonntag nach dem Sieg der Spanierinnen für einen Eklat gesorgt, als er Mittelfeldspielerin Jenni Hermoso zunächst Küsschen auf die Wange gab, dann aber ihren Kopf mit beiden Händen packte und der 33-Jährigen einen Kuss auf den Mund drückte. Der Zwischenfall hatte für viel Kritik gesorgt, die teilweise harsch ausfiel. Rubiales Rücktritt war von vielen gefordert worden, die Disziplinarkommission des Fußball-Weltverbands FIFA leitete ein Verfahren gegen Rubiales ein.
Er habe nicht vor, zurückzutreten, sagte er nun vor seinen Verbandskollegen selbstbewusst. Er bezeichnete den Kuss als “spontan, gegenseitig, euphorisch und einvernehmlich”, entschuldigte sich aber “für den Kontext, in dem er stattfand”. Er sei aber nicht aus einer “Machtposition” heraus erfolgt.
Spaniens Sportbehörde kündigt Konsequenzen an
Sollte der Vorfall von RFEF-Seite tatsächlich folgenlos für Rubiales bleiben, bleibt abzuwarten, wie die spanische Politik reagiert. “Natürlich warten wir darauf, dass etwas passiert”, hatte Präsidentschaftsminister Felix Bolanos vor der außerordentlichen Generalversammlung des RFEF gesagt und gleichzeitig angekündigt: “Wenn das nicht der Fall ist, wird die Regierung handeln”. Nach Rubiales’ Rede forderte Yolanda Diaz, Spaniens zweite Vize-Ministerpräsidentin, genau das ein: “Die Straffreiheit für Macho-Aktionen ist vorbei”, schrieb sie bei X: “Rubiales darf nicht weiter im Amt bleiben.”
Der Leiter der obersten spanischen Sportbehörde CSD, Víctor Francos, kündigte an, seine Institution werden nun gegen Rubiales vorgehen. “Wir werden handeln, wir haben alle Mechanismen aktiviert, um die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen”, schrieb er ebenfalls auf X. Ligaboss Javier Tebas meinte: “Die Liste der Frauen und Männer, die in den letzten Jahren von Luis Rubiales beleidigt wurden, ist zu lang, das muss aufhören.” Ex-Nationaltorhüter Iker Casillas fand das Verhalten des Verbandschefs “zum Fremdschämen”, wie er auf X schrieb.
Verwirrung um Hermosos Aussagen
Bereits in den Tagen vor der Generalversammlung hatte es laute Kritik an Rubiales gegeben. So sprach Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero auf X von “sexueller Gewalt, die wir Frauen täglich erleiden”. US-Fußballstar Megan Rapinoe beklagte “ein tiefes Ausmaß an Frauenfeindlichkeit und Sexismus”. Sogar Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez meldete sich zu Wort: “Was wir gesehen haben, ist inakzeptabel”, sagte er am vergangenen Dienstag. “Und die Entschuldigungen von Herrn Rubiales reichen nicht aus.”
Für Verwirrung sorgten vor allem die Aussagen von “Kuss-Opfer” Jenni Hermoso. Erst nach einigen Tagen gab sie gemeinsam mit der Spielerinnengewerkschaft Futpro eine Stellungnahme heraus, in der sie Konsequenzen forderte. Offenbar waren frühere, angebliche Aussagen von ihr, die der spanische Fußballverband verbreitet und in denen sie den Kuss relativiert hatte, frei erfunden und nicht von ihr selbst getätigt worden.
Früherer Vorwurf der Veruntreuung
Rubiales, der früher selbst Fußballprofi war und vor allem in Spaniens 2. Liga gespielt hatte, ist seit Mai 2018 Präsident des RFEF. Zuvor war er Präsident der spanischen Spielergewerkschaft. Als RFEF-Präsident hatte er sich im Herbst 2022 gegen die Meuterei von 15 Spielerinnen und demonstrativ an die Seite des umstrittenen Nationaltrainers Jorge Vildas gestellt. Auch schon vor dem Kuss-Eklat von Sydney hatte er für Ärger gesorgt. Im vergangenen Jahr wurde der Vorwurf der Veruntreuung von Verbandsgeldern gegen den RFEF-Chef laut.
Wie spanische Medien berichteten, soll er Anfang 2020 eine Party gegeben haben, zu der auch acht bis zehn Frauen eingeladen waren. Das Fest habe sich angeblich zu einer Orgie entwickelt und Rubiales habe es anschließend als Arbeitsveranstaltung abgerechnet, hieß es. Der Verband und sein Chef hatten die Vorwürfe stets abgestritten.