“Viva Las Vegas”, sang Formel-1-Weltmeister Max Verstappen ausgelassen, nachdem er beim ersten Rennen auf dem berühmten Strip von Las Vegas als Erster über die Ziellinie gefahren war. Verstappen krönte sich damit zum Sieger einer Glanz- und Glamourveranstaltung, die man unter dem Strich wohl als gelungen bezeichnen muss. Schon vor dem – für derzeitige Formel-1-Verhältnisse – abwechslungseichen und spannenden Rennen war das Aufgebot an Stars und Sternchen am Rande der Strecke und das Maß an Showelementen noch größer, als es normalerweise ohnehin bereits der Fall ist.
“Ich glaube an der Veranstaltung war alles gut, außer unserem Ergebnis”, sagte Mercedes-Sportchef Toto Wolff nach dem Rennen beim TV-Sender Sky. Seine Piloten Lewis Hamilton und George Russell hatten zwar keine Chance auf einen Podiumsplatz, trotzdem zog er eine positive Bilanz. “Man kann vielleicht das Qualifying etwas früher machen, aber ansonsten war alles perfekt”, so Wolff. “Das Rennen war brillant. Es war tolles Racing von Anfang bis Ende”, lobte auch Ferrari-Pilot Charles Leclerc.
Das Premierenrennen vor der Kulisse von Bellagio, Caesars Palace, Mirage und den anderen Luxushotels und Casinos von Las Vegas war der dritte Grand Prix in den USA in diesem Jahr, nach den Rennen in Austin und Miami. Dieses verstärkte Engagement in den USA, wo die Formel 1 bis vor ein paar Jahren im Grunde keine große Rolle spielte, unterstreicht die Strategie der Formel-1-Besitzer zur Expansion auf Märkten abseits der traditionellen Formel-1-Standorte in Europa.
99 Prozent Show, ein Prozent Sport
Der amerikanische Mischkonzern Liberty Media kaufte die Formel 1 im Jahr 2017 für 4,6 Milliarden Dollar (4,25 Milliarden Euro). Obwohl die IndyCar-Serie den Motorsport in den USA dominiert, war das Unternehmen der Meinung, dass es mit der Formel 1 in seinem Heimatmarkt Fuß fassen und Geld von asiatischen Nationen einnehmen könnte, die danach streben, eines der prestigeträchtigen Rennen veranstalten zu dürfen. Bedenken, dass Länder wie Saudi-Arabien oder Katar sich nur deswegen als Grand-Prix-Gastgeber engagieren, um ihr Image durch den Sport aufzupolieren und von innenpolitischen Problemen wie Menschenrechtsverletzungen abzulenken, spielt für die Organisatoren offenbar keine Rolle.
Viele kritische Stimmen gab es auch zum Rennen auf dem berühmten Strip in Las Vegas: “Es ist zu 99 Prozent Show und zu einem Prozent ein Sportereignis”, sagte Weltmeister Max Verstappen vor dem Grand Prix und schien eher genervt. “Ich schätze, sie verdienen immer noch Geld, ob es mir gefällt oder nicht, liegt also nicht an mir. Aber ich werde mich auch nicht verstellen. Manche Leute mögen die Show ein bisschen mehr, ich mag sie überhaupt nicht.”
Immerhin war das Rennen interessant, was neben einigen Unfällen und Safety-Car-Phasen vor allem daran lag, dass Dauersieger Verstappen nicht – wie so oft – konkurrenzlos mit weitem Abstand vorneweg fuhr, sondern mehr arbeiten musste. Trotzdem sicherte sich der Niederländer im Red Bull am Ende den 18. Sieg im 21 Rennen der Saison vor Leclerc und Sergio Perez im zweiten Red Bull. “Es hat definitiv sehr viel Spaß gemacht”, sagte Verstappen im Siegerinterview und hörte sich ganz anders an als Tage zuvor. “Es war auch ein tolles Publikum. Ich hoffe, alle haben es genossen. Ich freue mich schon darauf, nächstes Jahr wiederzukommen.”
Deutschland fahrerisch und finanziell abgehängt
Der Vertrag der Formel 1 mit Las Vegas läuft zehn Jahre. 14 der 22 Saisonrennen fanden in diesem Jahr außerhalb Europas statt, wo die meisten Teams ansässig sind. Diese fortschreitende Abkehr der Formel 1 von ihrer traditionellen Heimat Europa wird am deutlichsten, wenn man die Entwicklung in Deutschland betrachtet. Mit Michael Schumacher (1994,1995,2000-2004), Sebastian Vettel (2010-2013) und Nico Rosberg (2016) kamen drei Weltmeister aus Deutschland.
Diese drei gewannen insgesamt zwölf der letzten 22 WM-Titel. Im Jahr 2012 gab es sogar sieben deutsche Fahrer im Feld. In dieser Saison ist mit Nico Hülkenberg vom US-amerikanischen Team Haas nur noch ein einziger deutscher Pilot geblieben. Allerdings hat er mit seinem unterlegenen Auto keine Chance auf vordere Plätze und war erst einmal in diesem Jahr am Ende unter den besten Zehn. In Las Vegas musste er seinen Boliden mit einem Defekt abstellen und konnte das Rennen nicht beenden.

Diese “Ebbe” an deutschen WM-Kandidaten wird nicht dafür sorgen, dass die Formel 1 so bald nach Deutschland zurückkehren wird. Allerdings hat es in erster Linie finanzielle Gründe, dass der Nürburgring und Hockenheimring keine Formel-1-Rennen mehr ausrichten. “Wir sind eine erfolgreiche Rennstrecke und schreiben schwarze Zahlen. Aber wir können uns doch kein Format einkaufen, das wir in der aktuellen Form nicht refinanzieren können”, sagte Alexander Gerhard, Kommunikationschef des Nürburgrings, der DW beriets im März, mit Blick auf die von der Formel 1 geforderten sehr hohen Antrittsgelder.
Offenbar sind andere in der Lage, diese Gelder zu zahlen, denn die Rennserie expandiert im nächsten Jahr und weitet ihren Kalender 2024 auf 24 Rennen aus. China wird nach einer vierjährigen Unterbrechung aufgrund von COVID zurückkehren. Die Formel 1 hat versucht, ein Rennen nach Vietnam zu bringen, und während Grands Prix in Indien und Südkorea scheiterten, erzählen vier Rennen im arabischen Raum und fünf in Nordamerika ihre eigene Geschichte.
Dieser Text wurde teilweise aus dem Englischen adaptiert.