Gastbeitrag
Consulting
Die Ampel und die Berater: Und es kam noch schlimmer
Ampel-Chefs Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz (v.l.) auf der Regierungsbank: Bei der Transparenz ihrer Ausgaben für Consultingunternehmen macht die selbst ernannte Fortschrittskoalition eher Rückschritte
© picture alliance/dpa | Kay Nietfeld
Bei ihren Ausgaben für Berater setzt die Bundesregierung jetzt auf eine Taktik des Versteckens und Verwirrens. Auch bei anderen Fragen zur Beauftragung und Steuerung externer Consultants verhält sich die Ampel intransparent und unprofessionell – ein klarer Rückschritt
Noch im Untersuchungsausschuss zur sogenannten Berateraffäre haben die Vertreter von SPD, Grünen und FDP ihre Irritation und Missbilligung über den Umgang des damals CDU-geführten Verteidigungsministeriums mit externer Beratung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Kurze Zeit später formulieren genau diese drei Parteien einen Koalitionsvertrag, der sich wie ein Konjunkturprogramm für die ohnehin prosperierende Consulting-Branche liest. Zuletzt sind Details über hohe Beraterkosten sowie fragwürdige Verträge bei der verstaatlichten Gasfirma Sefe (früher Gazprom Germania) bekannt geworden. Und jetzt macht die Ampelregierung nochmal sehr deutlich, dass sie nur wenig von einer professionellen Beratersteuerung hält und als Fortschrittskoalition Transparenz-Rückschritte macht.
Der jüngste Beleg dafür ist die Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zu externen Beratungsdienstleistungen. Mitte Juli gab es eine 57-seitige Antwort, in der einiges vielleicht nur Nerds interessiert und anderes relativ inhaltsleer daherkommt. Aus fachlicher Sicht jedoch sind zwei Themen besonders wichtig: Die Quantität und die Qualität der Zusammenarbeit mit Beratungen. So hilft die Höhe der Ausgaben, die Entwicklung im Zeitverlauf nachzuzeichnen. Und die Arbeitsqualität ist etwa zur Vermeidung von Abhängigkeiten wichtig. Leider zeigen sich hier Intransparenz und Unprofessionalität – gepaart mit einer gewissen Absurdität im Antwortverhalten. Drei Episoden illustrieren dies.
Zahlen bleiben geheim
Die jeweilige Opposition verlangt seit Jahren in schöner Regelmäßigkeit von der Regierung Informationen über die Höhe ihrer Beratungsausgaben. Dafür nutzt sie meist sogenannte Schriftliche Fragen oder auch Kleine Anfragen. Die passenden Antworten gab es dann innerhalb weniger Tage. In der Vergangenheit konnte man die Uhr danach stellen, dass direkt im Anschluss Schlagzeilen à la „Regierung gibt Rekordsumme für Consultants aus“ erscheinen. Die Antworten wurden auch auf den Internetseiten des Bundestages der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die Frage nach der Ausgabenhöhe wurde auch diesmal in der Kleinen Anfrage gestellt, aber nach der Antwort gab es keine Schlagzeilen, nur Stille. Warum, was ist anders? Gibt es keine Kritikpunkte? Mitnichten, die Koalition hat sich einfach der konkreten Antwort entzogen – und ohne Antwort keine Medienberichte. Die Regierung argumentiert mit der Datenqualität und sagt, dass die angefragten Informationen erst mit dem sogenannten Beraterbericht verteilt werden. Dieses recht umfangreiche Papier wird vom Finanzministerium den Mitgliedern des Haushaltsausschusses jährlich im Herbst zugeleitet. Es erfasst auf Auftragsebene die Zahlungen an externe Beratungen im vorangegangene Kalenderjahr. Zeitlich ist dies also ein deutlicher Rückfall hinter die kurzfristigen Antworten an einzelne Abgeordnete.
Der umfangreiche Bericht ist zudem nicht öffentlich verfügbar (Randbemerkung: Die Transparenzplattform Frag Den Staat beziehungsweise die Open Knowlege Foundation klagt gegen diese Praxis) und es gibt Grund zur Vermutung, dass es auch in dem Papier mit der Datenqualität leider nicht zum besten bestellt ist.
Der Transparenz-Rückschritt sieht also dergestalt aus, dass aus zeitnah erhobenen und allgemein zugänglichen Informationen solche werden, die mit einer starken Zeitverzögerung nur einem kleinen Parlamentarierkreis zugehen und nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind.
Vorgaben des Parlaments halbherzig umgesetzt
Jetzt mag man einwenden, dass die Höhe der Ausgaben für sich genommen eigentlich wenig aussagekräftig sei, da doch die erzielten Projektergebnisse interessieren sollten. Dem ist auch so. Transparente Zahlen sind aber die notwendige Basis für alle weiteren Arbeiten. Viel aussagekräftiger wären zwar Evaluationsergebnisse über Beratungsprojekte. Diese sind allerdings zur Zeit noch so etwas wie der Griff nach den Sternen. Als pragmatischer Zwischenschritt kann jedoch die Professionalisierung im Umgang mit Beratungen dienen.
Und hierfür hat der letzte Bundestag (vielleicht unbewusst) einen Prüfpunkt vorbereitet. Der Haushaltsausschuss hat die Bunderegierung aufgefordert, „Maßnahmen zu ergreifen, um den Einsatz von externen Beratern und externen Unterstützungskräften substantiell zu senken“. Zudem sollte jedes Ressort „einen konkreten Maßnahmenkatalog und Abbaupfad“ darlegen. Der einschlägige Antwortbericht aus 2021 ist zwar ausschussvertraulich, aber in der Kleinen Anfrage haben CDU/CSU ein Update gefordert.
Hier hat die Regierung geliefert und ein Potpourri an Aussagen der Ministerien zusammengetragen. Herausgekommen ist ein überwiegend schwaches Bild. Das Innenministerium zeigt sich bei den Auftraggeberfähigkeiten und der Dienstleistersteuerung noch professionell und skizziert 14 konkrete Maßnahmen. Das Haus profitiert dabei vermutlich auch von seinem seit einigen Jahren etablierten Beratungszentrum.
Andere Ministerien bleiben etwas wolkiger in ihren Antworten. Das Auswärtige Amt etwa will die Haushalts-Eckwerte der Ausgaben für externe Beratung und Unterstützung um 3 Prozent beziehungsweise 5 Prozent kürzen. Allerdings: Die Maßgabe der Haushälter bestand in einer substanziellen Senkung! Das Wirtschaftsministerium führt die Allzweckargumente der Energie- und Klimakrise sowie den Krieg in der Ukraine an und verzichtet auf konkrete Maßnahmen, und das Familienministerium zeigt sich „bezüglich der Inanspruchnahme externer Beratungs- und Unterstützungsleistung sensibilisiert“. Im Großen und Ganzen versichern die Ressorts, dass sie die Grundsätze der Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten – was wiederum gerade den Basisanforderungen der Bundeshaushaltsordnung entspricht. Mit der Nennung konkreter Maßnahmen sind die meisten Häuser jedoch sehr zurückhaltend.
Die Professionalität im Umgang mit externer Beratung ist also nicht besonders stark ausgeprägt – oder sie wird geschickt verborgen.
Antworten heute so, morgen anders
Merkwürdig mutet schließlich auch die Varianz im Umgang mit ähnlich gestellten Fragen an. Der Abgeordnete Dietmar Bartsch (Linke) hat im letzten Winter die Bundesregierung unter anderem nach den Spitzenhonoraren je Beraterstunde gefragt – und eine Antwort bekommen.
Eine solche Frage wurde nun auch in der Kleinen Anfrage der CDU/CSU formuliert. Die Reaktion der Regierung: Abwiegeln. Diese Information könne man nicht herausgeben, denn ein Dienstleister fürchte, dass anhand der Honorare direkt auf ihn geschlossen werden könne. „Hut ab“ vor den seherischen Fähigkeiten derjenigen, an die hier gedacht wurde! Kommuniziert wird aber, dass der besagte Stundensatz im mittleren dreistelligen Bereich liege – zum Vergleich: in der Antwort an Bartsch waren 496 Euro das Spitzenhonorar – und vom Verteidigungsministerium gezahlt wurde. Die mitgelieferte Begründung für die Höhe hat es wiederum in sich. Die „bezuschlagte Kanzlei“ hatte nämlich „sehr komplexe gesellschaftsrechtliche Fragen nach Luxemburger Recht in Abstimmung mit deutschem Gesellschaftsrecht zu bearbeiten […], die hochspezialisierte Rechtskenntnisse erforderten“.
Für seltene Kompetenzen werden hohe Preise gezahlt, das ist nachvollziehbar. Warum aber rechtliche Fragen, die explizit nicht in die hier betrachtete Berater-Kategorie fallen, genannt werden, das ist ein Rätsel.
Diese Inkonsistenz in den Antworten und die Argumentationslinie tragen nicht zwingend dazu bei, der Regierung vollstes Vertrauen beim Umgang mit Consultants entgegenzubringen.
Berater-Republik? Wird schlimmer
An anderer Stelle sind Einlassungen zur Berater-Republik und ihrer Gefahren, etwa Abhängigkeiten von Beratungsunternehmen, zu finden. Hierbei schwang bisher die Hoffnung mit, dass es zu Verbesserungen kommen könne. Aus fachlicher Sicht wurde die Situation jedoch nicht besser, sondern sogar noch schlimmer. Dies muss unbedingt geändert und wieder umgedreht werden. Der Weg dazu ist eigentlich deutlich vorgezeichnet. Es braucht auch keine neue, aufrüttelnde Berateraffäre als Handlungsimpuls – wohl aber ein engagiertes, pragmatisches und professionelles Handeln der Regierung.