2017 startete Deutschland die Initiative „Compact with Africa“. Sie sollte für mehr Investitionen auf dem Kontinent sorgen, doch die Bilanz fällt durchwachsen aus. Deshalb lädt Scholz jetzt zum G20-Afrikagipfel ins Kanzleramt
Dreimal in zwei Jahren ist Bundeskanzler Olaf Scholz nach Afrika gereist, in der Gruppe der Industrie- und Schwellenländer (G20) hat er sich für die Aufnahme der Afrikanischen Union (AU) eingesetzt. Afrikanische Regierungen nehmen ihm ab, dass er an einer engeren wirtschaftlichen Kooperation interessiert ist – aus welchen Motiven auch immer. Nun hat er zum G20-Afrikagipfel ins Kanzleramt geladen. Das Treffen am Montag wird gesäumt von einer Unternehmerkonferenz des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Mehr als ein Dutzend Regierungsvertreter afrikanischer Länder reisen an.
Konkret will Scholz der G20-Initiative „Compact with Africa“ (CwA) neues Leben einhauchen, die 2017 unter deutscher Präsidentschaft gegründet, aber seither nicht viel von sich reden gemacht hat. Es geht um neue Impulse für die Abmachungen, der bisher 13 afrikanische Länder angehören, und die privatwirtschaftliche Investitionen fördern sollen: etwa durch verbesserte Rahmenbedingungen am Standort und ergänzt durch Programme internationaler Finanzinstitutionen wie der Weltbank. Reformwille trifft G20-Flankierung, so der Gedanke. Durch die Partnerschaften sollen Investitionsrisiken und -hürden unter anderem für deutsche Firmen minimiert werden.
Dem Angebot, die Partnerschaft zu vertiefen, sind bislang Ägypten, Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Ghana, Guinea, Marokko, Ruanda, Senegal, Togo, Tunesien und zuletzt die DR Kongo gefolgt – allesamt Volkswirtschaften der zweiten Reihe, die attraktiver für ausländisches Kapital werden wollen. Die Aufnahme neuer Schwergewichter zeichnet sich ab: Auch die erste Reihe zeigt Interesse: Möglich, dass Nigeria – neben Südafrika die größte Volkswirtschaft des Kontinents – dazukommt. Der nigerianische Präsident kommt kurzfristig nach Berlin, und auch hochrangige Vertreter von Angola, Kenia, Sambia und Tansania wollten zum Gipfel anreisen.
Rohstoffreiche Länder
Wenn der Kanzler also einen Neustart plant, einen CwA 2.0, so könnte das zum einen mit einer perspektivischen Erweiterung gelingen. Zum anderen verändern sich auch die Vorzeichen für eine künftige Zusammenarbeit: Geopolitisch ist der Wert des Kontinents, der reich an kritischen Rohstoffen und potenziellen Quellen für die Energiewende ist, drastisch gestiegen. Die Abkehr des Westens von Russland nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine schürt den Wunsch zum „Near-shoring“, der Suche von Unternehmen aus Wirtschaften, die näher an Europa liegen. Die Abhängigkeiten von China sollen verringert werden, weshalb es im Kanzleramt um Kooperationen für grünen Wasserstoff, Flüssiggas, Düngemittel und die EU-Initiative Global Gateway gehen soll.
Trotz einiger Kritik an dem CwA-Prozess in Afrika treibt das widrige Umfeld hoher Schuldenlasten und wirtschaftlicher Stagnation sowie die Aussicht auf neue Zweige der Wertschöpfung den Zulauf aus Afrika an. „Es gibt aber in Afrika das Verlangen, den Compact stärker an den Bedürfnissen der Zielländer und ihrer eigenen Entwicklungspläne auszurichten“, sagt Stanley Achonu, Direktor der ONE Campaign gegen Armut und ehemaliger zivilgesellschaftlicher Berater der Weltbank. Der Spielraum sei eng, es werde viel vorgeschrieben, so lauteten Beschwerden. Für eine Wohlstandswirkung in der Bevölkerung müsse zudem mehr in beschäftigungsintensive Sektoren investiert werden.
Kritik am CwA: Auslandsinvestitionen kaum gesteigert
Achonu erinnert dabei auch an die frühere G7-Zusage, wonach die Regierungen bis zu 80 Mrd. Dollar Investitionskapital entwicklungspolitische Finanzinstitutionen mobilisieren wollten. Was daraus geworden sei, lasse sich aufgrund der Intransparenz nach den Gipfeltreffen nicht nachvollziehen. Kritik äußerte auch die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in einer Schrift zur Außenpolitik: Statt ein zentrales Instrument der G20-Länder zu werden, ließen sich nur wenige Nationen eng in den CwA-Prozess einbinden und verfolgten lieber eigene Afrika-Programme. Besonderer Nachdruck sei somit nicht spürbar.
Die Willkür der bisherigen Auswahl angeblicher „Reform-Champions“ trage bei Unternehmen kaum dazu bei, den CwA als Chance wahrzunehmen, schreiben wiederum deutsche Afrika-Experten, darunter Robert Kappel. „Langfristige Investitionen, verbunden mit Qualifizierungsprogrammen und einem Technologietransfer, der den Namen verdient, bleiben auf der Strecke.“ Außerdem biete der CwA kein „inklusives Modell“ für mehr Beschäftigung, lokale Wertschöpfung und eine größere Rolle afrikanischer Unternehmen.
Mit einer greifbaren Steigerung der Auslandsinvestitionen (FDI) über die Länder hinweg kann der CwA jedenfalls nicht punkten. In einer aktuellen Bilanz hebt die Weltbank dennoch positive Entwicklungen hervor. Weltbank und Währungsfonds (IWF), die afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) und das African Center for Economic Transformation (ACET) flankieren Investitionsvorhaben mit Knowhow und Garantien. Ein Ziel ist etwa die Standardisierung von Verträgen und Regelungen für die Entwicklung bankfähiger Projekte und öffentlich-privater Partnerschaften (PPP). Die Weltbank hat auch länderspezifische Marktchancen in so genannten Privatsektordiagnosen (CPSD) für 50 Länder, darunter alle CwA-Mitglieder, erstellt.
Nach vorläufigen Erkenntnissen können CwA-Länder laut Weltbank dank der Initiative mehr Auslandsinvestitionen, Exporte und heimische Anlagevermögen vorweisen als andere afrikanische Länder. Keine Vorteile seien dagegen bei Pro-Kopf-Einkommen, Firmengründungen und Beschäftigung zu beobachten. Doch hätten sich die CwA-Länder im Abschwung der Corona-Pandemie mit stabilerem Wachstum (im Durchschnitt 0,54 Prozent) behauptet als andere, die in die Rezession abgerutscht seien (minus 3,24 Prozent), und sich auch besser erholt. Bis 2022 sei so zu einem Wachstum von 5,4 Prozent aufgeschlossen worden, verglichen mit 3 Prozent in Nicht-CwA-Ökonomien. Das schwächere Abschneiden von Nordafrika werde sich bis 2028 fortsetzen, während in CwA-Ländern in Subsahara-Afrika wieder ein Wachstum von sechs Prozent erwartet wird.
Mitgliedsländer verbuchten seit 2017 nur in zwei Jahren mehr Auslandsinvestitionen als Nicht-Mitglieder. Der Bericht konstatiert jedoch „ein starkes Comeback 2022“ über dem generellen Trend und Vor-Corona-Niveau – ein Anstieg der Zusagen um 466 Prozent zum Vorjahr auf 128 Mrd. Dollar in allen CwA-Ländern. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein Großteil davon auf Großprojekte für grüne Energie in Ägypten und Marokko zurückzuführen ist. Jeweils 69 und 64 Mrd. Dollar entfielen 2022 auf Auslandsinvestitionen aus Industrieländern und Schwellenländern – führend darunter Australien, Indien, Luxemburg und Großbritannien. CwA-Länder hätten sich zudem mit Reformzusagen zugunsten „grüner Investitionen“ als Leuchttürme guter Regierungsführung hervorgetan.
Krisenresistenter zeigten sich CwA-Länder dem Bericht zufolge auch bei den Exporten, die im Finanzjahr 2023 zwar – bedingt durch rückläufige globale Rohstoffpreise – um 7 Prozent gesunken seien, allerdings weniger stark als in anderen afrikanischen Ländern (minus 17 Prozent). Überdurchschnittlich haben sich seit 2015 die Ausfuhren von Ägypten, Marokko und Ghana entwickelt.
So schnitten einzelne Compact-Länder laut Weltbank über die Jahre ab