Analyse
Getränkemarkt
Brauerei-Lobby: „Jedes zehnte Bier wird alkoholfrei sein“
Die Brauereien haben Absatzschwierigkeiten: Die Deutschen trinken immer weniger Bier und greifen stattdessen lieber zu alkoholfreien Varianten
© IMAGO / brennweiteffm
Nach dem Ende der Coronapandemie trank die Welt wieder mehr Bier. Dieses Jahr berichten die größten internationalen Brauereien jedoch wieder von sinkenden Verkaufszahlen. Zu hohe Preise? Es gibt einen zweiten Grund
Das Gros des Absatzes auf dem internationalen Biermarkt konzentriert sich auf nur wenige große Player: Anheuser Busch InBev, Heineken, China Resources Breweries und Carlsberg. Allein diese vier Brauereien teilen sich schon über die Hälfte des globalen Marktes. Der größte deutsche Produzent steht erst auf Platz 22. Doch auch deutsche Biere werden über die anderen Konzerne verkauft. So ist Beck’s eine Marke des belgischen Anheuser Busch-Konzerns. Am Donnerstag veröffentlichte das Unternehmen Quartalszahlen, die einen Trend zeigen, der auch in Deutschland anhält.
Zwar konnte das Unternehmen seinen Gewinn um 7,2 Prozent steigern, der Bierabsatz ging im zweiten Quartal des Jahres aber um 1,8 Prozent zurück. Obwohl der Sommer eigentlich die umsatzstärkste Zeit der Branche ist. Auch Heineken musste seine Investoren zuletzt enttäuschen und sprach sogar eine Gewinnwarnung aus. Der deutsche Markt verhält sich ähnlich: Der Bierabsatz hiesiger Brauereien ist in der ersten Jahreshälfte ebenfalls gesunken. Im Vergleich zu 2022 fiel er um 2,9 Prozent auf etwa 4,2 Milliarden Liter, wie das Statistische Bundesamt vergangene Woche mitteilte. Nach einem leichten Anstieg 2022 gegenüber dem Pandemiejahr 2021 setzt sich damit eine langfristige Entwicklung fort: In Deutschland wird immer weniger Bier getrunken.
Wetter, Kosten, „Null-Prozent“
Gründe für den Rückgang seien insbesondere das kühle und durchwachsene Wetter im Frühling sowie „die Konsumzurückhaltung der Verbraucher, die nicht nur dem Handel schwer zu schaffen macht, sondern auch der Gastronomie und den Brauereien“, sagt der Lobbyverein „Deutscher Brauer-Bund“ in einem Statement. Wegen der hohen Inflation würden sich immer mehr Menschen mit Ausgaben in ihrer Freizeit zurückhalten, auch bei Veranstaltungen und im Inlandstourismus hinterlasse die Konsumflaute tiefe Spuren.
Das schlechte Wetter mag ein Grund sein. Bedeutsamer ist aber ein anderer Faktor: Die Verbraucher greifen immer mehr zu alkoholfreien Bieren oder Softgetränken, die am Ende auch von den großen Brauereien produziert werden. Bei Anheuser Busch zum Beispiel sanken im zweiten Quartal zwar die Verkaufszahlen von Bier, der Absatz nichtalkoholischer Getränke stieg hingegen. Das Gewinnplus ergab sich aus höheren Preisen. In Deutschland hat sich der Absatz alkoholfreier Varianten in den vergangenen 15 Jahren mehr als verdoppelt. Laut Statistischem Bundesamt haben die deutschen Brauereien im Jahr 2022 gut 670 Millionen Liter Null-Prozent-Bier produziert. Das entspricht einem Marktanteil von rund sieben Prozent.
So ist Jever Fun zum Beispiel das meistverkaufte alkoholfreie Pils in Deutschland. Produzent ist die Radeberger Gruppe, die größte deutsche Brauerei.
„Es trifft die imageschwachen Konsumbiere“
„Mit unserem Jever Fun sind wir nationaler Handelsmarktführer bei alkoholfreien Pilsbieren“, sagt Michael Reitze, Sprecher der Geschäftsleitung. Dies sei ein Marktsegment, das vor allem aus zwei Gründen weiteres Potenzial verspreche: wegen des stetig wachsenden Gesundheitsbewusstseins der Verbraucher und des immer besseren Geschmacks der alkoholfreien Alternativen. „Der Deutsche Brauer-Bund geht davon aus, dass in naher Zukunft jedes zehnte produzierte Bier alkoholfrei sein wird“, so Reitze.
Lässt sich die langfristig rückläufige Marktentwicklung bei „normalem“ Bier aufhalten? „Wie das Statistische Bundesamt zuletzt vermeldet hat, setzt sich die Entwicklung fort: Im Inland lag das Minus zum 30. Juni bei 3,5 Prozent. Das haben wir erwartet.“ Interessant seien aber die Absatzverschiebungen innerhalb des Marktes. Infolge der Inflation sinke die Konsumfreude der Verbraucher, die unter anderem bei Lebensmitteln sparten. „Dies tun sie, indem sie erstens weniger einkaufen, zweitens ihren Bedarf verstärkt in Discountern decken und drittens vermehrt zu Eigenmarken des Handels greifen“, so Reitze. Dies treffe aber vor allem „die imageschwachen Konsumbiere“. Das sind vor allem regionale Marken wie Astra aus Hamburg oder Eichbaum aus Mannheim, die durch noch günstigere Biere ersetzt werden. Premiumbiere unterscheiden sich durch bundesweiten Vertrieb, bundesweite Werbung, Markenpflege über die gehobene Gastronomie und einen höheren Preis.
Schreckgespenst Oktoberfestpreise
Wer trotz schlechtem Wetter auf ein Bier ins Restaurant geht, erschrickt deshalb vielleicht beim Blick auf die Rechnung: Laut Statista stiegen die Bierpreise von 2021 zu 2022 um 5,6 Prozent. Stefan Fritsche, Vize-Chef des Brauereiverbands Berlin-Brandenburg, sagte zu Jahresbeginn im Interview mit RTL: „Würden wir Brauer alles an unsere Kunden weitergeben, sind wir im Gastrobereich bis Ende des Jahres wahrscheinlich bei 7,50 Euro für den halben Liter Bier.“
Die Preiserhöhungen begründeten sich vor allem mit den Kosten, die für die Brauereien anfallen, so der Deutsche Brauer-Bund. Neben den hohen Energiekosten machten den Produzenten auch die Preise für Verpackungen, Kohlensäure, Logistik und Personal zu schaffen. Hopfen und Braumalz seien ebenso betroffen wie Kronkorken, Bierfässer und Neuglas. Die Brauerei-Lobby forderte im Frühling deshalb einen Bier-Gipfel im Kanzleramt, um um einen Preisdeckel festlegen zu können. Auf einen Termin warten sie noch immer.