Vor zwei Jahren ging es an meiner alten Schule in Berlin Charlottenburg im Politik-Unterricht um den Nahen Osten. Ein Schüler, der eine Palästina-Kette um den Hals trug, meldete sich zu Wort und hetzte selbstbewusst und einseitig gegen Israel.
Ich war schockiert – aber nicht überrascht. Denn Antisemitismus kommt nicht erst seit kurzem als „Israelkritik“ getarnt an deutschen Schulen daher, sondern ist ein Problem, auf das schon seit Jahren hingewiesen wird und das dennoch zu lange ignoriert wurde.
Seit dem Terroristischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat sich die Situation an deutschen Schulen verschärft: Hochemotionale, teilweise aggressive Schüler treffen Lehrer, die verunsichert sind und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. In vielen Schulen kommen Schüler mit Palästinaflaggen in die Schule und solidarisieren sich mit Gaza, hetzen gegen Israel und fühlen sich unverstanden, wenn ihre Symbole verboten werden.
Jüdische Schüler trauen sich nicht mehr in die Schule, weil sie Angst haben vor verbalen Anfeindungen und sogar vor Gewalt. So blieben etwa auch jüdischen Schulen in Berlin an einigen Tagen fast leer und jüdische Familien berichten, dass sie ihre Kinder aus Angst ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken können.
Wie findet Judenhetze statt?
Moderner Antisemitismus tritt in verschiedenen Formen auf, die am meisten verbreitete Form ist der Israelbezogene Antisemitismus. Oft wird dieser von Lehrern nicht erkannt und mit Kritik an israelischer Politik, wie man sie auch an anderen Staaten üben würde, verwechselt.
Israelbezogener Antisemitismus ist im Gegensatz zum klassischen Antisemitismus kein traditionelles Narrativ gegen Juden, sondern macht Juden weltweit verantwortlich für die Politik Israels und greift dabei auf umgemünzte Chiffren und Codes zurück, die sich auf bekannte antisemitische Stereotypen berufen. Die Delegitimierung des einzig jüdischen Staates ist antisemitisch. Der Schutz Israels ist deutsche Staatsräson und liegt in der Verantwortung aller deutschen Staatsbürger – egal, wo die Eltern herkommen.
Was können Lehrer jetzt tun?
In Situationen, in denen Schüler gegen Israel wie oben beschrieben hetzen, rate ich zu Aufklärung und klaren Ansagen. Schüler müssen sofort verstehen, dass diese Form von Antisemitismus keinen Platz in deutschen Klassenzimmern hat.
Ein Beispiel: „From the River to the Sea, Palestine will be free“ ist eine Parole, die aktuell häufig verwendet wird. Es lohnt sich, diese Parole aufzugreifen und ihre antisemitische Bedeutung den Schülern zu erklären. Die Forderung dieser Parole ist, dass sich Palästina vom Fluss in Jordanien bis zum Mittelmeer erstrecken soll und das bedeutet die komplette Auslöschung Israels. Hier müssen von Lehrerseite rote Linien gezogen werden.
Was ist die Lösung?
Aktuell reagieren die meisten Lehrer souverän auf homophobe, sexistische und rassistische Kommentare im Schulalltag und ziehen entsprechende Konsequenzen. Und genauso müssen Lehrer auf antisemitische Kommentare jeder Form reagieren können.
Um das zu erreichen, müssen Lehrer in ihrer Ausbildung auf solche Situationen vorbereitet werden. Dazu gehört ein Basiswissen über die Geschichte des Zionismus und die Geschichte Israels. Dazu gehört ein Verständnis dafür, dass Israel sich wie jeder andere Staat auch verteidigen darf, wenn er angegriffen wird.
Dazu gehört auch, dass alle Formen des Antisemitismus und besonders die modernen thematisiert werden und Lehrer sich mit modernen antisemitischen Chiffren und Codes auskennen.
Welche Perspektive gibt es in der Zukunft?
Wir Lehrer haben die Verantwortung, eine Generation auszubilden, die das Deutschland von Morgen prägen wird. Jeder sollte sich Gedanken machen, was der eigenen Schule, der eigenen Klasse in dieser Situation helfen kann. Hass und Hetze gegen Juden und Israel gehen oft mit dem Bild „des Juden“ einher, der abstrakt begriffen und für alles Übel verantwortlich gemacht wird.
Hier können externe Projekte wie „Meet a Jew“ ein erster Schlüssel sein. Juden und Jüdinnen kommen an Schulen, um mit den Schülern ins Gespräch zu kommen. Der Fokus liegt hier bewusst auf lebendigem jüdischem Leben und nicht auf der Geschichte.
Gleichzeitig ist es wichtig, die Probleme nicht nur auf externe Träger auszulagern. Es ist nicht nur die Aufgabe von Juden und Jüdinnen gegen Antisemitismus und Israelhass einzutreten, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Ganz konkret haben Schulen deutschlandweit die Möglichkeit, sich für einen Jugendaustausch zwischen Israel und Deutschland stark zu machen.
Ein Appell an alle Lehrer: Suchen Sie sich Partnerschulen in Israel und ermöglichen Sie Ihren Schülern einen Austausch, der von Ihnen inhaltlich begleitet wird. Schüler bekommen nur so die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von Israel zu machen. Sie werden dort leben und neue Erfahrungen sammeln, Freunde fürs Leben finden und in israelischen Familien lebendiges jüdisches Leben kennenlernen.