Bahn und EVG verhandeln wieder – Erfolgsaussichten unklar
Montag, 12. Juni, 6.48 Uhr: Wer verhandelt, streikt nicht – mit diesem Motto war die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG zuletzt im zähen Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn unterwegs. Ab Montag (14.00 Uhr) wird nun wieder verhandelt, fünf Tage sind angesetzt für die nächste Gesprächsrunde über Tariferhöhungen für gut 180 000 Beschäftigte bei der DB. Ob dabei ein Abschluss erzielt werden kann, ist offen – einerseits sind viele kritische Punkte noch offen, andererseits bieten fünf Tage viel Zeit für mögliche Lösungen.
Entsprechend gibt es für die nächsten Tage viele denkbare Szenarien. Sollte die Gewerkschaft das Gefühl bekommen, dass keine Fortschritte erzielt werden, droht der nächste Warnstreik auf der Schiene. Sollten die Verhandlungen sogar als gescheitert eingestuft werden, ist sogar eine Urabstimmung über dann möglicherweise unbefristete Streiks denkbar. Oder gibt es doch am Freitag einen Abschluss?
Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht die Frage, wie viel Geld die Beschäftigten künftig pro Monat mehr bekommen – und zwar dauerhaft. Die EVG fordert mindestens 650 Euro mehr, bei den oberen Lohngruppen will sie ein Plus von zwölf Prozent erreichen bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.
Viel zu viel, sagen die Vertreter der Bahn. Der Konzern hat bisher angeboten, bei den unteren Einkommen zwölf Prozent, bei den mittleren zehn Prozent und bei den oberen acht Prozent mehr zu zahlen. Die Erhöhung soll in zwei Schritten erfolgen. Außerdem will der Konzern den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 2850 Euro steuer- und abgabenfrei zahlen, als sogenannte Inflationsausgleichsprämie. Viel Geld, das aber nur einmal gezahlt wird und in den Tariftabellen nicht festgeschrieben wird, also bei zukünftigen Verhandlungen die Ausgangslage nicht verbessert. Die Laufzeit des Tarifvertrags sollte nach DB-Ansicht bei 24 Monaten liegen.
Die EVG hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie einen Festbetrag statt einer prozentualen Erhöhung erreichen will. Denn die unteren Einkommensgruppen sollen von der Tarifrunde besonders deutlich profitieren, so der Wunsch der Gewerkschafter. Wer wenig verdient, wurde in den vergangenen Monaten von der Inflation besonders stark getroffen, weil das Geld auch schon ohne die heftigen Preissteigerungen am Monatsende oft knapp war. Vermutlich hofft die Gewerkschaft darüber hinaus auch, dass sich aus diesen Einkommensgruppen weitere Menschen der Gewerkschaft anschließen – sozusagen zum Dank für einen engagierten Einsatz für ihre Belange.
Ein großer Knackpunkt ist zudem die lange Laufzeit von 24 Monaten, die die Bahn zuletzt vorgeschlagen hat. Die EVG will schon früher wieder verhandeln, um auch auf weitere Preissteigerungen in den kommenden Monaten schnell reagieren zu können.
Für die Bahn ist eine lange Laufzeit des Tarifvertrags wichtig, um mehr Planungssicherheit zu bekommen. Der Konzern hat schon jetzt mit hohen Kosten zu kämpfen, etwa weil die marode Schieneninfrastruktur dringend modernisiert werden muss. Neue Verhandlungen mit der EVG schon in ein paar Monaten würden die Personalkosten schneller in die Höhe treiben, als dem Personalvorstand Martin Seiler lieb ist.
Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Wolfgang Schroeder muss der Tarifkonflikt stets auch mit Blick auf die Konkurrenzsituation der EVG zur Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) betrachtet werden. Vergangenen Montag hat deren Chef Claus Weselsky seine Tarifforderungen vorgestellt, über die er ab Herbst mit der DB verhandeln wird. Die Kernpunkte: 555 Euro mehr pro Monat, drei Stunden weniger Arbeitszeit pro Woche für Schichtarbeiter und 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie.
Damit habe die GDL die Latte sehr hoch gehängt, meint Schroeder. „Und wenn die EVG sich jetzt frühzeitig auf den Kurs des Bahn-Managements einlassen würde, könnte einmal mehr der Eindruck entstehen, dass die EVG die nachgebende Gewerkschaft ist und die GDL die fordernde Gewerkschaft“. Damit würde die EVG den Eindruck zerstören, den sie seit Monaten aufzubauen versucht habe – nämlich dass sie die starke Gewerkschaft innerhalb des Konzerns ist und es daneben keine andere braucht, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen.
Schroeder geht letztlich davon aus, dass es im Rahmen des Tarifkonflikt noch mal zum Arbeitskampf kommen wird.
Erneut Warnstreiks im Einzelhandel in Ostwestfalen-Lippe
Samstag, 10.06.2023, 09:56: In der laufenden Tarifrunde im Einzelhandel hat die Gewerkschaft Verdi erneut Beschäftigte in Ostwestfalen-Lippe zu Warnstreiks aufgerufen. An diesem Samstag sollen die Angestellten in Filialen von Saturn, Primark, H&M, Douglas, Ikea, Zara, Smyth Toys sowie Marktkauf die Arbeit niederlegen. Die Ergebnisse der bisherigen Verhandlungsrunden bezeichnete die Gewerkschaft in einer Mitteilung vom Samstag als nicht zufriedenstellend. Seit dem Ende der Friedenspflicht Anfang Mai hätten sich bislang mehr als 4000 Beschäftigte an Streikaktionen beteiligt.
Verdi fordert in der Tarifrunde 2023 im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen 2,50 Euro mehr Gehalt und Lohn pro Stunde. Die Ausbildungsvergütungen sollen um 250 Euro steigen. Der neue Tarifvertrag soll nach den Forderungen der Gewerkschaft zwölf Monate laufen.
Forderung nach mehr Lohn – Verdi ruft zu Warnstreik im Großhandel auf
Donnerstag, 8.6.2023, 09:17: Die Gewerkschaft Verdi hat am Donnerstag zum Warnstreik im sächsischen Großhandel aufgerufen. Beschäftigte im Zentrallager von Edeka in Berbersdorf im Landkreis Mittelsachsen sowie im Phoenix Pharmahandel in Leipzig sollen ihre Arbeit niederlegen, wie die Gewerkschaft am Donnerstag in Leipzig mitteilte. „Die dramatischen Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Energiekosten, Mieten und Mobilitätskosten einerseits und die Hinhaltetaktik der Arbeitgeber bei den Tarifverhandlungen andererseits treibt die Menschen auf die Straße“, sagte Verhandlungsführerin Sylke Hustan.
Der überwiegende Teil der Beschäftigten im Handel sei akut von Armut bedroht, so Hustan. Für die Beschäftigten im sächsischen Groß- und Außenhandel fordert Verdi neben einer Lohnerhöhung auch eine Inflationsausgleichsprämie.
In Berlin sind die Schulen geschlossen, in NRW der Handel
Mittwoch, 7.6.2023, 09:05:
Berlin-Streiknews:
Für viele Berliner Schülerinnen und Schüler ist am Dienstag der Unterricht entfallen. Auch am Mittwoch und Donnerstag soll der normale Schulalltag an zahlreichen Berliner Schulen stillstehen. Grund dafür ist ein Warnstreik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Dazu hatte die GEW vor etwa zwei Wochen aufgerufen. Sie will ihre Forderung nach kleineren Klassen unterstreichen. So soll nach Ansicht der Gewerkschaft die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in einem Tarifvertrag für Gesundheitsschutz festgeschrieben werden. Bereits seit Juni 2021 steht das Anliegen im Raum, seitdem ruft die GEW immer wieder zu Warnstreiks auf.
An dem Streik am Dienstag beteiligten sich nach Angaben eines Sprechers der Berliner Bildungsverwaltung etwa 2300 Lehrkräfte – insgesamt gibt es in Berlin rund 34 000. Viele davon sind Angestellte und dürfen daher, anders als verbeamtete Lehrkräfte, streiken. Trotz des Warnstreiks habe der Unterricht vielerorts regulär stattgefunden, so der Sprecher. Eine zentrale Prüfung des Abiturs, ein Nachschreibetermin in Biologie, habe wie geplant durchgeführt werden können.
Der Berliner Senat sieht keine Möglichkeit zur Umsetzung der Forderung nach kleineren Klassen. Grund dafür sei unter anderem akuter Lehrermangel und außerdem der Fakt, dass Berlin ohne Zustimmung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) keine Tarifverhandlungen aufnehmen könne. Die TdL, der alle deutschen Bundesländer außer Hessen angehören, lehnt mögliche Verhandlungen ab.
„Der Senat sagt, ohne die Erlaubnis der Tarifgemeinschaft der Länder geht es nicht, aber es gibt auch ein Leben außerhalb der Tarifgemeinschaft„, sagte Ryan Plocher, Mitglied der GEW-Bezirksleitung Neukölln und Lehrer an einer Gemeinschaftsschule. Man habe außerdem bereits vor zehn Jahren gewusst, dass ein Lehrkräftemangel bevorstehen werde und habe damals nicht entsprechend geplant, kritisierte er. „Berlin ist nicht in der Lage, schnell genug Schulen zu bauen und nicht in der Lage, Lehrkräfte längerfristig auszubilden.“
In seiner Klasse habe er unter 24 Schülerinnen und Schülern fünf mit sonderpädagogischem Förderbedarf und vier mit Lese-Rechtschreib-Schwäche, erklärte Plocher. In einer kleineren Klasse hätte er mehr Zeit, sich um diese Schülerinnen und Schüler zu kümmern, so Plocher.
NRW-Streiknews:
Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten des Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen am Mittwoch zu einem Warnstreik aufgerufen. Zu einer Kundgebung in Bochum würden etwa 1800 Beschäftigte aus 51 Betrieben erwartet, teilte die Gewerkschaft mit. Dort werde die Verdi-Verhandlungsführerin für den Groß- und Außenhandel, Silke Zimmer, zu den Streikenden sprechen. Mit der Aktion wollen die Beschäftigten den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen. Die nächste Verhandlungsrunde findet am 13. Juni statt.
Zimmer sagte, die Beschäftigten erwarteten von den Arbeitgebern ein Angebot, welches die massive Preissteigerung kompensiere. In den ersten beiden Verhandlungsrunden hätten die Arbeitgeber die Beschäftigten mit einem viel zu niedrigen Angebot abspeisen wollen. “Das ist angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung im Groß- und Außenhandel skandalös“, sagte Zimmer.
Verdi fordert für die Beschäftigten im Groß- und Außenhandel NRW eine Erhöhung der Entgelte um 13 Prozent, mindestens aber um 400 Euro. Die Arbeitgeber hatten im April ein Angebot vorgelegt, das eine Erhöhung von 4 Prozent zum 1. Dezember 2023 und eine weitere um 2,1 Prozent zum 1. Dezember 2024 sowie Inflationsausgleichsprämien vorsah.
Bewegung im Bahn-Tarifkonflikt – wohl erstmal keine Warnstreiks
19.25 Uhr: Im aktuellen Tarifkonflikt bei der Bahn sind in der laufenden Woche keine Warnstreiks zu erwarten. Die Deutsche Bahn sowie die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG wollen ab dem 12. Juni erneut über eine Lösung verhandeln, wie beide Seiten am Montagabend nach einem Abstimmungsgespräch mitteilten.
„Heute haben sich die Verhandlungsführenden der DB und der EVG in Frankfurt zu einem Abstimmungsgespräch getroffen. Das vertrauliche Gespräch verlief konstruktiv“, teilten die Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG mit. Das geplante Treffen am 12. Juni werde voraussichtlich in Berlin stattfinden.
Die Gewerkschaft verhandelt derzeit mit der Bahn und Dutzenden weiteren Eisenbahn-Unternehmen über höhere Löhne und Gehälter für insgesamt rund 230 000 Beschäftigte. Der Fokus liegt dabei auf den Verhandlungen mit der DB, dort arbeiten gut 180 000 dieser Beschäftigten.
Die Gewerkschaft fordert von den Arbeitgebern einen Festbetrag von mindestens 650 Euro pro Monat mehr oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen. Die Laufzeit soll nach ihren Vorstellungen zwölf Monate betragen.
Die Bahn hatte bei Verhandlungen Ende Mai in Fulda stufenweise zwölf Prozent mehr bei den unteren Lohngruppen in Aussicht gestellt. Insgesamt zehn Prozent mehr sollen die mittleren Gruppen bekommen und acht Prozent die oberen. Die erste Erhöhungsstufe soll demnach noch dieses Jahr kommen. Hinzu kommt eine ebenfalls stufenweise Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2850 Euro, die steuer- und abgabenfrei ab diesem Juli gezahlt werden könnte. Die Laufzeit soll 24 Monate betragen. Die EVG lehnte dieses Angebot ab.Pro Bahn fordert von Bahn Notfahrplan im Fall neuer Streiks
Lage im Tarifstreit bei der Bahn ist festgefahren
Montag, 05. Juni 2023, 06.38 Uhr: Der Fahrgastverband Pro Bahn hat von der Deutschen Bahn die Einrichtung eines Notfahrplans für den Fall neuer Streiks gefordert. Ein „Mindestangebot“ würde immerhin verhindern, dass Reisende „stranden“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Detlef Neuß, der „Bild“ (Freitag). Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sei auf der anderen Seite in der Pflicht, einen Warnstreik rechtzeitig anzukündigen. Am besten wäre es natürlich, würden Unternehmen und Gewerkschaft ihre Verhandlungen fortsetzen.
Die Lage im Tarifstreit bei der Bahn ist festgefahren. Die EVG hatte am Mittwoch weitere Warnstreiks angekündigt, ohne zunächst ein Datum zu nennen. Am Donnerstagabend schickte sie dann nach eigenen Angaben eine kurzfristige Einladung zu Gesprächen an die Verhandlungsführer der Bahn, um den Streik eventuell noch abzuwenden. Ob das Unternehmen auf das Gesprächsangebot eingehen will, blieb zunächst unklar.
Die Bahn hatte weitere Verhandlungen und die Vorlage eines neuen Angebots zuvor unter Verweis auf die Haltung der Gewerkschaft abgelehnt. Die EVG beharre stur auf ihren Forderungen und sei nicht kompromissbereit, sagte Personalvorstand Martin Seiler. Verhandlungen seien da „sinnlos“.
Die EVG verlangt bislang bei zwölf Monaten Laufzeit zwölf Prozent mehr Lohn für alle Beschäftigten, aber mindestens 650 Euro mehr. Die Bahn hatte zwölf Prozent für untere Einkommen, zehn Prozent für mittlere Einkommen und acht Prozent für höhere Einkommen sowie einen steuerfreien Inflationsausgleich von insgesamt 2850 Euro angeboten, der stufenweise ausgezahlt werden soll.
Insbesondere weil die Zusage einer Mindesterhöhung fehlte, von der die unteren Einkommen profitieren würden, lehnte die Gewerkschaft das Angebot ab. Auch die mittlerweile von der Bahn angebotene Laufzeit von 24 Monaten kritisierte die EVG als weiterhin zu lang.
Gewerkschaft ruft zu Warnstreiks in Berliner Süßwarenindustrie auf
Sonntag, 4. Juni, 15.42 Uhr: Beschäftigte in fünf Berliner Süßwarenunternehmen legen am Montag ihre Arbeit nieder. Zu dem Warnstreik hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aufgerufen, um in der laufenden Tarifrunde Druck auf die Arbeitgeber zu machen.
Für die bundesweit rund 60 000 Branchenbeschäftigten verlangt die Gewerkschaft monatlich 500 Euro mehr in den unteren Tarifgruppen, in den übrigen 400 Euro mehr, für Auszubildende 200 Euro mehr im Monat. „Das Angebot der Arbeitgeber, die Löhne lediglich um 3,8 Prozent in 2023 und 2,9 Prozent in 2024 zu erhöhen, wird der prekären Situation vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in keiner Weise gerecht“, erklärte der Geschäftsführer der NGG-Region Berlin-Brandenburg, Sebastian Riesner, am Sonntag.
Die Unternehmen hätten ihren Umsatz zuletzt massiv gesteigert, argumentierte er. „Sie wollen die Beschäftigten dennoch mit Peanuts abspeisen. Die Wut in den Betrieben ist riesig, und das ist kein Wunder.“ Der Warnstreik beginnt laut Gewerkschaft am frühen Montagmorgen um 04.30 Uhr. In vier Werken ist demnach nur die Frühschicht betroffen, im Bahlsen-Werk in der Oberlandstraße in Tempelhof soll die Arbeit ganztägig ruhen. Dort treffen sich Beschäftigte aus allen fünf Unternehmen am Morgen zudem zu einer Versammlung. Insgesamt arbeiten in den fünf Betrieben rund 1200 Menschen.
Nach Angaben der NGG sind am Montag Warnstreiks auch in anderen Bundesländern geplant, etwa in Niedersachsen und Thüringen. Mitte Mai hatte die Gewerkschaft eine bundesweite „Warnstreikwelle“ im Juni angekündigt.
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